Dieter Wiefelspütz „tief enttäuscht“ – Innenministerium NRW bleibt hart
Pressemitteilung vom 28.04.2005
Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion und Verhandlungsführer der SPD beim Zuwanderungsgesetz zeigte sich gestern „über die ersten Auswirkungen des Zuwanderungsgesetzes „tief enttäuscht“. Das zentrale, parteiübergreifende Anliegen des Gesetzgebers, Kettenduldungen abzuschaffen, sei nicht erreicht worden. Er fühle sich „regelrecht getäuscht und hintergangen“. Das sei ihm in seiner nun schon achtzehnjährigen politischen Laufbahn als Abgeordneter noch nicht passiert, der Wille des Gesetzgebers, Kettenduldungen abzuschaffen werde von den Ministerialbürokratien in Bund und Ländern konterkariert.
Bei einem Runden Tisch, zu dem der Flüchtingsrat NRW gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen NRW (LAGA NRW) nach Düsseldorf eingeladen hatte, um nach den Erfahrungen der ersten 100 Tage mit dem Zuwanderungsgesetz eine kritische Zwischenbilanz zu ziehen, machte Dieter Wiefelspütz seiner Wut und Enttäuschung über die Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes Luft. Er bezeichnetet die Entwicklung als „besorgniserregend“. Er fühle sich persönlich getäuscht und sehe den Willen des Gesetzgebers durch die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesinnenministers und auch durch die Erlasslage in NRW konterkariert. Wörtlich sagte er: „Persönlich bin ich tief enttäuscht. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es so läuft. Es ist für mich eine einzigartige Erfahrung, wie mit unserer Absicht umgegangen wird“ Da er maßgeblich an dem Zustandekommen des Gesetz mit beteiligt gewesen sei, übernehme er auch die Verantwortung und setzte sich dafür ein, dass Fehlentwicklungen korrigiert würden.
Korrekturbedarf mahnt Dieter Wiefelspütz vor allem in den beiden Punkten Abschaffung der Kettenduldungen und Arbeitsverbote für Geduldete Flüchtlinge an.
Bei den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz habe über alle Fraktionsgrenzen hinweg Einigkeit darüber bestanden, dass der unerträgliche Zustand von Flüchtlingen mit Kettenduldungen nicht mehr hinnehmbar sei. Dieter Wiefelspütz sei davon ausgegangen, dass ca. 50% der Kettengeduldeten durch das Zuwanderungsgesetz ein Aufenthaltsrecht bekommen würden, jetzt gehe die Tendenz gegen Null. Wiefelspütz kündigte an, dass er in der kommenden Woche ein Gespräch mit Otto Schily führen werde, da er für die Fehl-Entwicklung in erster Linie die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesinneministeriums verantwortlich mache. „Unterschiedliche Interpretation sind zwar möglich, aber das Ergebnis Null bei der Abschaffung der Kettenduldung ist durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen“, so Wiefelspütz weiter. Wiefelspütz betonte, dass die Härtefallkommissionen auf Landesebene kein Ersatz für die Abschaffung von Kettenduldungen bzw. für eine Bleiberechtsregelung sein könnten. Diese seien überfordert, wenn sie zum einzigen Nadelöhr würden für all das, was an anderer Stelle durch das Gesetz geregelt werden müsse.
Weiteren dringenden Handlungsbedarf sieht Dieter Wiefelspütz beim Thema Arbeitsverbot für geduldete Flüchtlinge. Es sei Konsens bei der Gesetzgebung gewesen, das es keine Verschlechterung des Status Quo für die Geduldeten geben solle. Nun zeige sich jedoch , dass die Ausländerbehörden mit erheblichem Aufwand prüfen würden mit dem Ergebnis, dass in zahlreichen Fällen die Arbeitserlaubnis verloren geht. Dieter Wiefelspütz bezeichnete die Entwicklung als „ein Selbsttor ersten Grades“ Darüber müsse geredet werden, vor allem mit dem Wirtschaftminister, der für die Beschäftigungsverfahrensverordnung verantwortlich sei.
Das Innenministerium NRW verteidigte bei dem Runden Tisch seinen restriktiven Kurs. Die Linie von NRW sei mit den anderen Innenminsterien der Länder abgestimmt. Außerdem sei der Erlass vom 28. Februar 2005 notwendig gewesen, um eine einheitliche Verwaltungspraxis in NRW zu gewährleisten. Der Flüchtlingsrat NRW warf dem Innenministerium eine Kehrtwende in der Ausländerpolitik vor. Durch den Erlass werde es kettengeduldeten Flüchtlingen nahezu unmöglich gemacht, ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Das Innenministerium NRW habe die unterschiedliche Praxis der Ausländerbehörden auf dem niedrigsten Niveau harmonisiert. Gutwilligen Ausländerbehörden würden die Hände gebunden. Die anwesenden Vertreter aus Kirche und Flüchtlingsorganisationen hielten dem Innenministerium entgegen, dass eine andere Praxis möglich sei. Dies zeige der viel weitergehende Erlass von Rheinland-Pfalz. Das Innenministerium NRW zeigte sich hiervon unbeeindruckt und machte deutlich, dass im Kreise der Innenministerien Rheinland-Pfalz isoliert sei und NRW keinen Sonderweg gehe. Mit einer kurzfristigen Überarbeitung des Erlasses sei nicht zu rechnen, die Notwendigkeit werde vom Innenministerium NRW auch nicht gesehen. Der Gesetzgeber habe das Gesetz nicht klar formuliert, weil er sich um eine politische Grundentscheidung gedrückt habe wegen der politischen Mehrheiten. Verbindliche Verwaltungsvorschriften würden im Dialog des Bundesinnenministeriums mit den anderen Ländern, der Bundesbeauftragten für Integration und Migration und gesellschaftlich relevanten Gruppen erarbeitet werden. Hier könnten Änderungen eingebracht werden.
Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen, bekräftigte gegenüber der Bundesebene die Notwendigkeit einer Bleiberechtsregelung, da mit dem Zuwanderungsgesetz das Problem der Kettenduldungen nicht in den Griff zu bekommen sei. Das Innenministerium NRW unterstütze die Forderung nach einer Bleiberechtsregelung. Die Forderung solle auch auf der nächsten IMK am 23./24. Juni in Stuttgart erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden. Auf Landesebene forderte sie die Nutzung aller möglichen Ermessensspielräume solange es keine besseren Bundesgesetze gebe. Das Verhalten der Exekutive werde im nächsten Koalitionsvertrag eine Rolle spielen.