Für einen Paradigmenwechsel im Bildungssystem
17. Dezember 2025Pressemitteilung des Landesintegrationsrates NRW vom 18. Dezember 2025
Am 20. Dezember jährt sich das deutsch-italienische Anwerbeabkommen zum 70. Mal. Mit ihm begann eine Entwicklung, die die Bundesrepublik dauerhaft verändert hat. Es war der Ausgangspunkt einer Arbeitsmigration, auf der zentrale Teile des wirtschaftlichen Aufstiegs des Landes beruhen und aus dem das moderne Deutschland entstand. Italien war der Anfang. Es folgten Spanien, Griechenland, die Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien.
Millionen Menschen kamen, um zu arbeiten. Sie standen an Fließbändern, fuhren unter Tage, errichteten Wohnraum, hielten Energieversorgung und Industrie am Laufen. Diese Arbeit war Voraussetzung für Wachstum, für soziale Sicherung und für den Wohlstand breiter Teile der Gesellschaft. Sie wurde unter harten Bedingungen geleistet und erfuhr lange keine öffentliche Wertschätzung.
Aus der Anwerbung von Arbeitskräften wurden Lebensgeschichten. Menschen ließen sich nieder, gründeten Familien und beteiligten sich am öffentlichen Leben. Schulen, Stadtteile, Gewerkschaften und Vereine wurden von diesen Erfahrungen mitgeprägt. Die Geschichte der Arbeitsmigration ist damit eng mit der Geschichte demokratischer und sozialer Institutionen in Deutschland verbunden.
Heute haben ca. 30% der Bevölkerung in Deutschland eine internationale Familiengeschichte. In vielen Großstädten ist es deutlich mehr. Deutschland ist durch Einwanderung zu dem geworden, was es heute ist: eine der wirtschaftlich leistungsfähigsten und sozial stabilsten Industrienationen der Welt.
Noch heute ist das Land zeitgleich von vielfältigen, dynamischen Migrationsbewegungen geprägt und enorm abhängig von Migration. Aufgrund des demographischen Wandels hat Deutschland aktuell einen Bedarf von ca. einer halben Million Arbeitskräfte pro Jahr, zzgl. ihrer Familien, da in allen wirtschaftlichen Bereichen, von Handwerk, über Industrie bis hin zu Pflegeeinrichtungen Arbeitskräfte fehlen.[1] Die politische Verantwortung liegt klar auf der Hand. „Migration ist Teil unserer gesellschaftlichen Realität. Wer diese Normalität nicht öffentlich benennt, stärkt rechte Kräfte und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Deutschland seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist und dass ohne Zuwanderung wirtschaftliche Stabilität, soziale Sicherheit und gesellschaftliche Entwicklung nicht aufrechterhalten werden können“ so Tayfun Keltek.
Der Landesintegrationsrat NRW nimmt das 70. Jubiläum des Anwerbeabkommens zum Anlass, um zu betonen: Eine zukunftsorientierte Politik stärkt gleichberechtigte Teilhabe und erkennt die Leistungen und Potenziale von Menschen mit internationaler Familiengeschichte sowie Migration als festen Bestandteil der Landesgeschichte an.
[1] Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 2025: https://www.diw.de/de/diw_01.c.935931.de/publikationen/diw_aktuell/2025_0105/deutschland_braucht_eine_nachhaltige_und_effektive_migrations-_und_integrationspolitik.html