Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes jetzt!
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28. August 2023Pressemitteilung des Landesintegrationsrates NRW vom 25. August 2023
Eine Reform des Gesetzes, die auf den Abbau von Barrieren zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft abzielt und die Hinnahme von Mehrstaatigkeit grundsätzlich ermöglicht, ist schon seit Jahrzehnten überfällig. Deshalb begrüßt der Landesintegrationsrat NRW, dass die von der Bundesregierung angekündigte Novellierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht wurde.
„Es handelt sich nicht – wie vielfach behauptet – um ein Turbo-Einbürgerungs-Gesetz“, betont der Vorsitzende des Landesintegrationsrates NRW Tayfun Keltek. „Der im Gesetzentwurf vorgesehene notwendige Zeitraum für die Beantragung der deutschen Staatsangehörigkeit lässt sich mit Blick auf andere Einwanderungsländer gut begründen. Sowie bei unseren Nachbarländern Frankreich, Luxemburg und in den Niederlanden als auch in der USA gilt auch eine Frist von fünf Jahren“, fährt Keltek fort. Irland und Kanada ermöglichen schon nach drei Jahren eine Einbürgerung. Diese Möglichkeit wird auch im Gesetzentwurf bei sogenannten ‚besonderen Integrationsleistungen‘ eingeräumt.
„Der Gesetzentwurf wird der Lebensrealität der in Deutschland lebenden Menschen endlich ein Schritt weiter gerecht. Besonders die Ermöglichung der doppelten Staatsangehörigkeit für alle Menschen mit internationaler Familiengeschichte wird die Demokratie in Deutschland stärken!“, unterstreicht Keltek. Bislang können nur Menschen aus bestimmten Herkunftsländern ihre bisherige Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung behalten. Die meisten Einbürgerungen finden deshalb unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit statt; zuletzt waren es 69% im Jahr 2021.„Wer angesichts der Realität von längst gelebter Mehrstaatigkeit bei uns im Land nun davor warnt, dass uns mit der doppelten Staatsangehörigkeit reihenweise Loyalitätskonflikte und Integrationsprobleme ins Haus stehen, kennt weder die Statistik noch die Lebenswirklichkeit der Menschen mit internationaler Familiengeschichte“, so Keltek weiter. Es handelt sich um Menschen, die seit Generationen in der Bundesrepublik leben und sich mit diesem Land, seiner Verfassung, seiner Sprache, seinen Traditionen, seinen Werten und seiner Geschichte identifizieren. Darüber hinaus sind sie mit den jeweiligen Herkunftsländern weiterhin verbunden und möchten deswegen nicht die ursprüngliche Staatsangehörigkeit abgeben. Dieser Wunsch ist in unserer globalisierten und vernetzten Welt mehr als verständlich und hat in der Vergangenheit zu keinerlei Problemen geführt.
Für die meisten stellt aber die verpflichtende Abgabe des Passes ihres Herkunftslandes ein unüberwindbares Hindernis dar. So ist die Einbürgerungsquote konstant niedrig – mit entsprechenden negativen Folgen für das demokratische System. In zahlreichen Städten klaffen Wahl- und Wohnbevölkerung längst dramatisch auseinander. Nach der Gesetzesnovellierung können sie endlich auch hier das aktive und passive Wahlrecht auf allen Ebenen wahrnehmen und unsere Gesellschaft mitgestalten!
Eine erleichterte Einbürgerung von Seniorinnen und Senioren, nicht nur der sogenannten Gastarbeitergeneration, indem u.a. auf einen schriftlichen Sprachnachweis verzichtet wird, ist mehr als angemessen. So haben die durch Anwerbeabkommen eingewanderten Menschen ihre Arbeitskraft für den Wohlstand der Bundesrepublik eingesetzt, jedoch keinerlei Sprachförderangebote im Deutschen erhalten. Andere Seniorinnen und Senioren, z.B. solche mit Fluchterfahrung, sind oftmals altersbedingt nicht mehr imstande, diesen Sprachnachweis zu erbringen. Allerdings ist es unglücklich, dass sich die Bundesregierung nicht dazu durchringen konnte, auch Erleichterungen bei den mündlichen Sprachnachweisen einzuräumen. Darüber hinaus ist es schändlich, dass die Regierungskoalition alle Menschen von der Einbürgerung ausschließen will, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern können: Dazu gehören Rentner/innen, die aufstockende Grundsicherung erhalten, sowie Menschen mit Behinderung als auch Alleinerziehende oder Pflegende.
„Es ist bedauerlich zu beobachten, wie im politischen Diskurs die wirtschaftlichen Vorteile des Gesetzentwurfes in den Vordergrund gestellt werden“, ergänzt Herr Keltek. „Deutschland sollte sicher auf dem internationalen Arbeitsmarkt der Fachkräfte kompetitiv bleiben. Ein solches Einbürgerungsgesetz lässt unser Land attraktiver werden. Es ist aber genauso wichtig, dass die im Land schon vorhanden Potenziale der Menschen mit internationaler Familiengeschichte berücksichtigt werden! Wir sollten nie vergessen: Jeder Mensch ist wertvoll und kann sich sinnvoll in die Gesellschaft einbringen.“
Ein nicht unwesentlicher Aspekt stellt die verwaltungstechnische Umsetzung des Gesetzentwurfs dar. Der Landesintegrationsrat NRW rechnet mit einer steigenden Nachfrage nach deutschem Pass. Dabei sind die Ausländerbehörden schon jetzt völlig überfördert. „Deshalb sollte umgehend ein Aktionsplan für den personellen Ausbau und die Umstrukturierung der Ausländer- und Einbürgerungsbehörden gestartet werden. Wir brauchen echte Willkommensbehörden, die kultursensibel, rassismuskritisch und serviceorientiert aufgestellt sind – dann kann das neue Gesetz einen Beitrag zu einem attraktiven Land leisten“, so Keltek abschließend.