von Dr. Axel Horstmann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
Quelle: Infodienst Migration Nr. 2, Mai 1998

Kaum ein anderes Wahlergebnis der letzten Jahre hat die Dringlichkeit, die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, deutlicher gemacht, als das in Sachsen- Anhalt. Wenn es einer Partei aus dem Stand gelingt, mit ausländerfeindlichen Parolen zur viertstärksten politischen Kraft in einem Land zu werden, in dem es fast keine Ausländer gibt, und wenn fast ein Viertel der Wähler unter 30 Jahren dieser Partei ihre Stimme gibt, dann hat die Stunde fünf vor zwölf geschlagen.

Die Lehre vom 26. April 1998 lautet: Wer berufliche Perspektivlosigkeit zulässt, der erntet politische oder andere Formen des Extremismus. Dies gilt nicht nur für die Bundesrepublik, dies gilt für jede Nation, wenn wir uns die jüngsten Wahlerfolge der extremen Rechten etwa in Dänemark, Frankreich oder Österreich anschauen. Denn jede Gruppe, die sich anhaltend von der gesellschaftlichen Entwicklung abgekoppelt sieht, reagiert darauf in einer extremen Weise.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat daher die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht. Mit der kürzlich ins Leben gerufenen Initiative „Jugend in Arbeit“ gibt es eine neue arbeitsmarktpolitische Anstrengung, die die bisherigen Aktivitäten etwa rund um den Ausbildungskonsens ergänzt. „Jugend in Arbeit“ widmet sich den langzeitarbeitslosen Jugendlichen und damit nicht zuletzt einer für die LAGA bedeutsamen Zielgruppe.

Gemeinsame Verantwortung – Gemeinsames Handeln
Rund 100.000 junge Menschen unter 25 Jahren sind in Nordrhein-Westfalen arbeitslos gemeldet. 10.000 von ihnen haben schon seit mehr als einem Jahr keine Arbeit. Nahezu ein Drittel, also ca. 3.000 von ihnen sind junge Zuwanderer. Das heißt, es geht um junge Menschen, die bereits zu Beginn ihres Berufslebens nahezu chancenlos in ihre persönliche Zukunft blicken. Nicht zuletzt das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt macht deutlich, dass entschlossenes Handeln notwendig ist. Das haben neben den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände auch die Kammern der Industrie, des Handels und des Handwerks, die Arbeitgeber, der DGB, die Arbeitsverwaltung und die Wohlfahrtsverbände so gesehen. Sie alle haben sich auf meine Initiative hin am 25. März 1998 dazu verpflichtet, gemeinsame Wege zu gehen, um diesen Jugendlichen eine konkrete Beschäftigungsperspektive zu geben. Dazu ist die Landesinitiative „Jugend in Arbeit“ aus der Taufe gehoben worden.

Alter Wein in neuen Schläuchen?
Wahljahre sind leider reich an symbolischen, auf kurzfristiges Medieninteresse zielenden Initiativen. Häufig wird entschlossenes Handeln nur vorgetäuscht und alter Wein in neuen Schläuchen ausgeschenkt. „Jugend in Arbeit“ stellt größere Ansprüche; diese Landesinitiative verfolgt ein in mehrfacher Hinsicht umfassendes Konzept: alle Mitglieder einer schwierigen Zielgruppe werden angesprochen, alle bereits bestehenden Angebote der Jugendhilfe und Arbeitsförderung werden gebündelt und alle Möglichkeiten genutzt, die Jugendlichen zum Mitmachen zu gewinnen.

„Jugend in Arbeit“ konkret
Wie gehen wir konkret vor? Alle bei den Arbeitsämtern als langzeitarbeitslos registrierten jungen Menschen werden von mir persönlich angeschrieben. Ich informiere sie über die Initiative und kündige an, dass sie von einem Berater aufgesucht werden. Das Angebot: Jeder Jugendliche, der mitmacht, erhält eine auf zunächst ein Jahr befristete Anstellung in einem Betrieb. Mitmachen bedeutet: Die Jugendlichen erarbeiten gemeinsam mit dem Berater einen beruflichen Entwicklungsplan.

Darin wird festgelegt, was ggf. an Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie an Praktika absolviert werden muss, bevor die Arbeit im Betrieb aufgenommen werden kann.

Die Berater, die vor Ort und auf die jeweilige Zielgruppe bezogen ausgewählt werden, stehen den Jugendlichen während der gesamten Laufzeit des Programms bei Fragen und Problemen zur Seite.

Das Ziel von „Jugend in Arbeit“ ist, die jungen Menschen möglichst schnell für eine Arbeit im Betrieb fit zu machen. Dort wird an vier Tagen gearbeitet, der fünfte Tag gehört der Qualifizierung. Die Bezahlung entspricht dem jeweils gültigen Tarif.

Was ist neu an „Jugend in Arbeit“?
Mehrere Gestaltungselemente sind innovativ: Die Jugendlichen schließen mit den Beratern einen Vertrag. Sie versprechen mitzumachen und erhalten dafür ein konkretes Beschäftigungsangebot. D.h., „Jugend in Arbeit“ verfolgt die Leitlinie „Fördern und Fordern“.

Die Verträge sind individuell zugeschnitten. Zu unterschiedlich ist die Zielgruppe, als dass ihnen ein Angebot „von der Stange“ helfen könnte. Junge langzeitarbeitslose Migranten etwa brauchen andere Trainingsmaßnahmen als junge Deutsche, Mädchen andere als Jungen. Zu den Hilfeangeboten gehört darüber hinaus eine angepasste sozialpädagogische Begleitung.

Die Jugendlichen haben in der Person des Beraters einen verlässlichen Ansprechpartner, der nicht für eine bestimmte „Maßnahme“ zuständig ist, sondern Mitverantwortung für den Weg eines jungen Menschen in den Beruf übernimmt. Er kennt die Stärken und Schwächen „seines“ Jugendlichen und kann so helfen, ihm und dem Betrieb ein möglichst paßgenaues Beschäftigungsangebot zu vermitteln. Und schließlich: „Jugend in Arbeit“ baut auf Strukturen und Ressourcen auf, die in der Region bereits existieren. Bis heute fehlt es häufig an ihrer konsequenten Bündelung und Vernetzung, an der Zusammenführung aller Handlungsmöglichkeiten im einzelnen konkreten Fall. „Jugend in Arbeit“ will das durchgreifend verbessern, will diejenigen zusammenführen, die sich um die gleiche Zielgruppe kümmern. Die Initiative will deutlich machen, dass auch in Zeiten knapper Kassen arbeitsmarktpolitisch viel erreicht werden kann.

Daher obliegt die regionale Steuerung des Programms den 29 Regionalsekretariaten in NRW. Sie sind derzeit dabei, alle Akteure an einen Tisch zu holen und die Umsetzung von „Jugend in Arbeit“ vorzubereiten. Sie verfügen über weitergehende Informationen und sind Ansprechpartner. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und die Ausländerbeiräte in NRW dazu aufrufen, sich einzuklinken und mitzumachen. Sie können durch ihre Unterstützung mithelfen, jugendliche Migranten und ausländische Betriebe zum Mitmachen zu bewegen. Für nähere Informationen stehen neben den Regionalsekretariaten auch die Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA) zur Verfügung.

„Jugend in Arbeit“ wird die Arbeitslosigkeit ganz sicher nicht halbieren können. Aber es ist ein Programm, das in die richtige Richtung weist und einen Beitrag dazu leisten kann, eines der drängendsten gesellschaftlichen Probleme zu lösen.