Quelle: Infodienst Migration 23, April 2005

logoadbsnrwfarbig„Zur Zeit haben wir nur die Möglichkeit Diskriminierung öffentlich zu thematisieren und so zu skandalisieren,“ so umreisst Hartmut Reiners seine Tätigkeit bei der Organisation „Leben ohne Rassismus – Netzwerk der Anti-Diskriminierungsbüros in NRW“ Dabei kann seine Organisation auf erfolgreiche Arbeit zurückblicken. Als besonders gelungenes Beispiel erzählt Reiners einen Fall, der sich bei einer Zeitung im Siegerland ereignete. Nachdem es dort zu diskriminierender Berichterstattung über Migrantinnen und Migranten gekommen war, meldete sich „Leben ohne Rassismus“ bei der Redaktion. Dort nahm man das Angebot zu einem Workshop an. „Es kommt jetzt deutlich seltener zu diskriminierenden Berichten,“ erzählt Reiners.

Beweislastumkehr

Trotz der Erfolge seiner Arbeit fordert Reiners schnellstmöglich ein Anti-Diskriminierungsgesetz (ADG). Nach seinen Vorstellungen sollte es alle potentiellen Opfer wie Migranten, Behinderte, Homosexuelle u.a. im Arbeits- und Zivilleben vor jeglicher Diskriminierung schützen. Dazu müsse ein ADG nicht allein die Diskriminierungstatbestände klar definieren, sondern außerdem die Beweislastumkehr einführen. Demnach muss nicht der Kläger beweisen, dass er diskriminiert wurde, sondern der Beklagte muss darlegen, dass er nicht diskriminiert hat. „Dieses Prinzip wird bereits im Gewaltschutzgesetz erfolgreich angewandt,“ weist Reiners Vorwürfe zurück, dass damit die Rechtsstaatlichkeit unterlaufen würde. Reiners fordert außerdem eine Prozesskostenhilfe für Betroffene, damit die Betroffenen ein ADG auch anwenden könnten. Darüber hinaus sei für Opfer von Diskriminierung ein Verbandsklagerecht über alle Instanzen nötig, um die Intention des Gesetzes auch erreichen zu können. Im Entwurf der Bundesregierung ist zur Zeit nur ein eingeschränktes Verbandsklagerecht vorgesehen.
Das ADG ist aber nicht nur dringend notwendig, sondern auch überfällig. Schließlich hat die EU ihre Mitgliedsstaaten schon im Jahr 2000 in der sogenannten Anti-Diskriminierungsrichtlinie zu entsprechenden gesetzlichen Schritten aufgefordert. Kommt Deutschland den Forderungen nicht bald nach, kann es zu Strafzahlungen an die Kommission in Brüssel kommen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde von Nicht-Regierungsorganisationen wie „Leben ohne Rassismus“ oder ARIC-NRW als „deutliches Signal für ein menschenwürdiges Leben aller Mitglieder unserer Gesellschaft“ gewertet. Besonders wurde die konsequente Haltung der Bundesregierung gelobt, im Gegensatz zur EU-Richtlinie keine Hierarchie der unterschiedlichen Opfergruppen zu machen. So mache es nach dem deutschen Entwurf für ein ADG keinen Unterschied, ob jemand wegen seiner Hautfarbe oder wegen seiner homosexuellen Neigung diskriminiert werde. „Das ist besser geregelt als in der EU-Richtlinie“, lobt Reiners. Nach den Vorgaben der geltenden EU-Richtlinie kann nämlich ein schwarzer Homosexueller eine Wohnung durchaus verweigert werden – nicht wegen der Hautfarbe, aber aufgrund seiner sexuellen Neigung. Dies liegt an einer Abstufung, die die EU-Richtlinie beinhaltet.

Droht Prozessflut?

Ob diese fortschrittliche Regelung bleibt, ist derzeit ungewiss. Die aufgeregte Diskussion über das ADG lässt befürchten, dass es nun zu einer „Eins zu Eins Umsetzung“ der EU-Richtlinie kommt. Kritiker wollen glauben machen, dass die Freiheit von Arbeitgebern und Vermietern durch unnötige Bürokratie und eine Prozessflut eingeschränkt werde.
„Das ist ein vorgeschobenes Argument,“ sagt Reiners. Weder habe Deutschland eine Anti-Diskriminierungskultur, die dazu führen könnte, noch ließen die Erfahrungen aus anderen Ländern dies vermuten. Er und seine Mitstreiter glauben vielmehr, dass der heftige Widerstand aus der Wirtschaft auf eine hohe Diskriminierungspraxis hinweise.
Reiners hofft nun, dass es rasch zur Verabschiedung eines ADG in Deutschland kommt. Nur auf gesetzlicher Grundlage lasse sich die Praxis der Diskriminierung ächten und effektiv bekämpfen.