Landesintegrationsrat unterstützt das geplante Landesantidiskriminierungsgesetz – Schutzlücken müssen ergänzt werden
10. Dezember 2025Pressemitteilung des Landesintegrationsrates NRW vom 15. Dezember 2025
Die Anhörung im Ausschuss für Schule und Bildung des Landtags am 9. Dezember 2025 markiert einen entscheidenden Schritt hin zu einer längst überfälligen Anerkennung natürlicher Mehrsprachigkeit als grundlegende Ressource des nordrhein-westfälischen Bildungssystems. Der Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen, der die Förderung mehrsprachiger Potenziale vorantreiben will, wurde in der Sitzung ausführlich diskutiert. „Die Schulen in NRW sind seit Jahren von sprachlicher und kultureller Vielfalt geprägt: Fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler bringt eine internationale Familiengeschichte mit, und ein großer Teil von ihnen wächst mehrsprachig auf. Es handelt sich dabei nicht um eine Ausnahme, sondern um eine Bildungsrealität, die das Schulsystem bislang jedoch nur unzureichend berücksichtigt“, betont der Vorsitzende des Landesintegrationsrates NRW, Tayfun Keltek.
Der Antrag greift diese Realität auf und formuliert wichtige Impulse, um die Potenziale mehrsprachiger Kinder und Jugendlicher stärker zu nutzen. „Seit Jahrzehnten engagiert sich der Landesintegrationsrat für die Wertschätzung, Anerkennung und Förderung natürlicher Mehrsprachigkeit sowie für deren Implementierung im Bildungssystem. In zahlreichen Veröffentlichungen und Aktionen haben wir fundierte Expertise und Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis im Bereich der mehrsprachigen Erziehung und Didaktik für eine konstruktive politische Debatte zur Verfügung gestellt. Im ständigen Austausch mit den schulpolitischen Sprecherinnen und Sprechern im Landtag NRW haben wir zudem über mögliche Umsetzungsszenarien nachgedacht“, hebt Keltek hervor. „Wir sind froh, dass unsere Anregungen und Überlegungen von den Regierungsparteien in NRW aufgegriffen und in einem Antrag formuliert wurden. Die langwierige und intensive Arbeit, die wir seit Beginn dieses Jahrhunderts in ein gerechtes und potenzialorientiertes Bildungssystem investiert haben, hat nun Eingang in die politische Entscheidungsfindung gefunden“.
Der Landesintegrationsrat begrüßt daher ausdrücklich den grundsätzlichen Ansatz des Antrags. „Eine Stärkung natürlicher Mehrsprachigkeit kommt allen Beteiligten zugute: den Kindern, ihren Familien, der Schule als Institution und letztlich der gesamten Gesellschaft“, so Keltek. Die Wissenschaft belegt seit Jahren, dass eine systematische Förderung der Herkunftssprachen nicht im Widerspruch zum Erwerb der deutschen Bildungssprache steht. Im Gegenteil: Gute Kompetenzen in der Erst- oder Familiensprache erleichtern das Erlernen komplexer sprachlicher Strukturen im Deutschen. Kinder, deren gesamte sprachliche Entwicklung berücksichtigt und gestärkt wird, erreichen ein höheres Niveau in der Schriftsprache Deutsch und verfügen über stabilere kognitive sowie sprachliche Grundlagen. Mehrsprachige Ansätze im Unterricht fördern zudem Lese- und Schreibfähigkeiten – auch bei einsprachig aufwachsenden Kindern – und tragen zu einem besseren metasprachlichen Verständnis bei. Das bedeutet: Eine Schule, die natürliche Mehrsprachigkeit anerkennt und fördert, verbessert die Bildungschancen aller Kinder, nicht nur der mehrsprachigen.
Der im Antrag der Regierungsfraktionen formulierte Maßnahmenkatalog ist jedoch noch nicht ausreichend, um die bestehenden Herausforderungen wirksam anzugehen. Es bedarf klarer Schwerpunkte, systematischer Umsetzungsschritte und einer engen Verzahnung von Schule, Wissenschaft, Kommunen und Zivilgesellschaft.
„Die internationale Schulforschung zeigt, dass Schulentwicklungsprozesse komplex sind. Deshalb ist eine langfristige, fachlich fundierte und strategisch begleitete Umsetzung zwingend erforderlich“, macht Keltek deutlich. Der Landesintegrationsrat schlägt daher konkrete Maßnahmen vor, die einen echten Wandel ermöglichen können (vgl. Stellungnahme unter folgendem Link: https://landesintegrationsrat.nrw/wp-content/uploads/2025/12/Stellungnahme-Mehrsprachigkeit_LIR-NRW.pdf).
Der Landesintegrationsrat betont, dass es jetzt an der Zeit ist, die im Antrag angelegten Ideen konsequent umzusetzen und zu einer verbindlichen, strukturell abgesicherten Reform weiterzuentwickeln. „Mehrsprachigkeit muss aus der Ecke der ‚Zusatzangebote‘ heraustreten und zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Bildungssystems werden. Die Kinder von heute leben längst in einer mehrsprachigen Welt – nun muss die Schule dieser Realität folgen und sie als Chance nutzen“, so Keltek abschließend.