
Es ist nur relevant was ins Bild passt – wie die Ermittlungsbehörden über den Solinger Brandanschlag vom 25. März 2024 richten.
15. Mai 2025
Austausch im Zeichen der Demokratie
16. Mai 2025Stellungnahme des Landesintegrationsrates NRW am 13. Mai 2025
Der Landesintegrationsrat NRW begrüßt den Antrag der SPD-Fraktion, ein Landesantidiskriminierungsgesetz in NRW auf den Weg zu bringen. Die Bekämpfung von Diskriminierung ist eine der großen Aufgaben unserer Zeit – nicht zuletzt, weil sich rechtsextremes Gedankengut wie ein Lauffeuer ausbreitet und unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft gefährdet.
Neben anderen Personengruppen sind gerade Menschen mit internationaler Familiengeschichte in einem verheerenden Ausmaß von Diskriminierung betroffen. Es ist wiederholt und umfangreich erforscht worden, dass sie in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen signifikante Benachteiligung erfahren: auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt, im Bildungssystem etc. Es handelt sich nicht nur um statistische Daten, sondern um die bittere Realität für Millionen in NRW lebende Menschen – das kann der Landesintegrationsrat NRW als politische Vertretung der Menschen mit internationaler Familiengeschichte auf Landesebene leider nur bestätigen. Die Studienergebnisse decken sich mit den Erfahrungen der Integrationsräte, deren Mitglieder oftmals selbst betroffen sind oder Verbindungen haben in Communitys von Menschen mit internationaler Familiengeschichte.
Im Antrag der SPD-Fraktion ist ausführlich geschildert, weshalb ein Bundesantidiskriminierungsgesetz nicht ausreicht. Dem stimmen wir ausdrücklich zu. Zahlreiche Diskriminierungsfälle werden durch das sehr lückenhafte AGG des Bundes nicht abgedeckt, wie etwa Diskriminierungen, die vom Staat selbst ausgehen. Zu nennen ist hier insbesondere die Diskriminierung seitens der Behörden und der Polizei, wie etwa Racial Profiling. Zudem ermöglicht das AGG nicht, gegen Diskriminierung im Bildungsbereich vorzugehen. Gerade dort sind sie jedoch ein gravierendes Problem, da sie die Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen erheblich benachteiligen und das Bildungsniveau ganzer Generationen prägen.
Rassistische Stereotypisierungen und Konnotationen von Menschen mit internationaler Familiengeschichte mit Mängeln und Defiziten führen nachweislich zu entsprechenden Beurteilungen von Entscheidungsträgern. So haben zahlreiche Studien gezeigt, dass Kinder mit sogenanntem ‚Migrationshintergrund‘ in Deutschland bei gleicher Leistung im Vergleich später als schultauglich eingeschätzt werden und nach der Grundschulzeit deutlich seltener eine Empfehlung für das Gymnasium bekommen als Kinder ohne internationale Familiengeschichte. Das Gleiche gilt für Kinder aus sozial benachteiligten Familien.[1] Die Veröffentlichung der letzten IGLU- (2021) und PISA-Studie (2022) haben offenbart, dass sich in den letzten 20 Jahren in Deutschland nicht viel getan hat im Hinblick auf die Beseitigung von Diskriminierung im Bildungssystem. Schon Anfang der 2000er Jahre haben diese Studien offengelegt, dass im Vergleich zu den anderen OCED-Staaten Schulerfolg in Deutschland stark von dem sozioökonomischen Hintergrund der Eltern abhängt.
Dass das deutsche Bildungssystem mit seinen institutionellen und strukturellen Diskriminierungen Ungleichheit reproduziert, ist also schon lange bekannt. Besonders häufig sind es Schülerinnen und Schüler mit internationaler Familiengeschichte, die von der fehlenden Bildungsgerechtigkeit betroffen sind.[2] Ähnliches zeigt sich im Ausbildungs- und Hochschulbereich. Ein Antidiskriminierungsgesetz, das auf den Bildungsbereich anwendbar ist, ist längst überfällig und nur auf Landesebene umsetzbar.
Die schwarz-grüne Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zur Schaffung eines Landesantidiskriminierungsgesetz verpflichtet. Damit ist unser Bundesland seiner Zeit keineswegs voraus. Seit Jahrzenten ist NRW von Einwanderung geprägt; die Bevölkerungsvielfalt ist schon lange Teil der nordrhein-westfälischen Identität. Vielen ist bewusst, dass unsere Einwanderungsgesellschaft erhebliche Potentiale birgt, die es zu nutzen gilt. Rassismus und Diskriminierung hemmen jedoch diese Potenziale und wirken sich negativ auf das Zusammenleben aus. In Zeiten eines erstarkten Rechtsextremismus ist es Aufgabe der Regierung (auch der Landesregierung) diejenigen zu schützen, die immer öfter zu Opfern von Ungleichwertigkeitsideologien werden. Die rassistischen und rechtspopulistischen Perspektiven finden immer mehr Zustimmung in der Gesellschaft, sodass Angehörige bestimmter Personengruppen in verschiedensten Lebensbereichen Vorbehalte und Ungleichbehandlungen zu spüren bekommen.
Die Landesregierung ist aufgefordert, ihre Pläne für ein Landesantidiskriminierungsgesetz nun umzusetzen und dafür zu sorgen, dass Nordrhein-Westfalen seiner Vorreiterrolle, die es in der Integrationspolitik einnimmt, gerecht wird. In Berlin ist bereits 2020 ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in Kraft getreten, das auch europarechtliche Verpflichtungen im Bildungsbereich enthält. Zudem ermöglicht das LADG, gegen staatliche Institutionen des Landes vorzugehen. Mit einem vergleichbaren Gesetz könnte Nordrhein-Westfalen aufschließen und die Sensibilität für Diskriminierungen erhöhen. Viele Betroffene scheuen den Gang vor Gericht, weil ihnen die Mittel oder die Kraft fehlen, sich alleine gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Hier müssen wir den Schutz erweitern, damit auch Gruppeninteressen effektiv vertreten werden können.
Es ist an der Zeit, die Lücken im Diskriminierungsschutz zu schließen und Betroffenen die Möglichkeit zu geben, gegen erfahrenes Unrecht vorzugehen. Der Landesintegrationsrat schließt sich zudem der Forderung an, eine Landesstelleantidiskriminierungsstelle zu schaffen. Diese muss aktiv Missstände aufdecken, verbindliche Standards für die Erfassung und Auswertung von Diskriminierung entwickeln, strukturelle Probleme klar benennen und auch präventiv agieren.
Quellen:
Lewalter, D., et al. (2023). PISA 2022: Ergebnisse und Perspektiven. Zugriff am 22. November 2024 unter https://www.pedocs.de/volltexte/2024/28666/pdf/Lewalter_et_al_2023_PISA_2022.pdf. Tobisch, A., Klapproth, F., & Dresel, M. (n.d.). Werden Kinder mit Migrationshintergrund durch Lehrkräfte benachteiligt? In: Bildung und Gesellschaft. Zugriff am 22. November 2024 unter https://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/81740/file/81740.pdf.
[1] Vgl. https://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/81740/file/81740.pdf
[2] https://www.pedocs.de/volltexte/2024/28666/pdf/Lewalter_et_al_2023_PISA_2022.pdf