Stellungnahme des Landesintegrationsrates NRW zum Ausführungsgesetz zu § 47 1b AsylG
31. Oktober 2018Informationen über den Integrationsrat: Flyer für Flüchtlinge und Neueinwanderer
16. November 2018Veröffentlichung des Landesintegrationsrates NRW, 2018
Vorwort
Meine Damen und Herren,
liebe Leserinnen und Leser,
die PISA-Studien haben mittlerweile Tradition. Wir erinnern uns: 2001 erschien die erste und löste in Deutschland einen Schock aus. 20% des getesteten Jahrgangs haben grundlegende Probleme beim Lesen. In keinem anderen Land war der Zusammenhang von sozialer Herkunft der Jugendlichen und ihrem Schulerfolg so eng wie in Deutschland verknüpft. Davon waren die Migrantinnen und Migranten besonders betroffen.
Die LAGA NRW veröffentlichte damals einen Kommentar, dessen Titel unsere Hoffnung ausdrücken sollte: „PISA macht alle wach!“. Zusätzlich erarbeiteten wir ein Sofortprogramm, in dem wir bildungspolitische Maßnahmen für NRW vorschlugen. Die ersten beiden lauteten: „I. Koordinierte Alphabeti sierung und mehrsprachiges Lernen in der Grundschule. II. Deutschlernen und Mehrsprachigkeit in der Sekundarstufe.“ Wir ließen uns damals von der Erkenntnis leiten, dass die nichtdeutschen Muttersprachen der Kinder und Jugendlichen nicht den Erwerb der deutschen Sprache behindern, sondern dass ihr schriftsprachlicher Ausbau die wichtigste Antwort auf die PISA-Studie war, weil er die intellektuelle Entwicklung der Kinder unterstützt, das Erlernen der deutschen Sprache erleichtert und ihre Identität stärkt.
Seit 2001 ist viel geschehen. Es wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die Aufmerksamkeit für die schulische Situati on der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ist gewachsen und viele engagierten sich. Aber die neue Studie von 2018 macht deutlich: Vieles tun heißt noch nicht, das Richtige tun. Wir müssen die Entwicklung der letzten Jahre kritisch überdenken. Es lohnt sich, dabei an unsere Überlegungen von 2001 anzuknüpfen. Die vorrangige Aufgabebesteht darin, die natürliche Zweisprachigkeit der Kinder und Jugendlichen für die gesamte Schule nutzbar zu machen: Für die Migrantenkinder als koordiniertes zweisprachiges Lernen Deutsch / Migrantensprache, für die nur deutschsprachigen Kinder als neuer Impuls für ein Fremdsprachenlernen gemeinsam mit Muttersprachlern. Es geht also um die Frage: Wie lernen Kinder Sprachen?
Die PISA-Studie 2018 ist in der Öffentlichkeit weitgehend untergegangen. Wir möchten dazu beitragen, das Resultat der Studie bekanntzumachen und zugleich darauf aufmerksam zu machen, dass die Schlussfolgerungen für die Praxis, die die Studie selber zieht, immer wieder nur die schlechten Schulleistungen produziert, die die Studie referiert. Wir müssen diesen Zirkel durchbrechen, und das geht nur durch eine massive Aufwertung der Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Das wird uns allen nutzen!
Ihr Tayfun Keltek
Vorsitzender des Landesintegrationsrates NRW