„Mehr als du siehst!“ – Gelungene Veranstaltung im Innenministerium NRW
28. Oktober 2025Pressemitteilung des Landesintegrationsrates NRW vom 29. Oktober 2025
Bundeskanzler Friedrich Merz hat erneut bekräftigt, dass es mit der CDU keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde. Der Landesintegrationsrat NRW begrüßt diese Klarstellung ausdrücklich. Eine Partei, die in Verbindung mit rechtsextremen Bestrebungen steht und demokratische Grundwerte infrage stellt, kann kein Partner sein. Die Aufrechterhaltung der sogenannten Brandmauer ist notwendig, um das Vertrauen in die demokratische Mitte zu bewahren.
Gleichzeitig sehen wir mit Sorge, dass der Bundeskanzler wie auch Teile der CDU versuchen, die AfD rhetorisch rechts zu überholen, anstatt ihr entschieden entgegenzutreten. Eine Brandmauer, die nur symbolisch besteht, aber sprachlich und inhaltlich Risse bekommt, schützt die Demokratie nicht.
Die Forschung zeigt seit Jahren, dass demokratische Parteien verlieren, wenn sie die Sprache der extremen Rechten übernehmen.[1] Wer deren Vokabular nutzt, verschiebt die Grenzen des Sagbaren und legitimiert damit genau das Denken, dem man sich eigentlich entgegenstellen will. Das wird im aktuellen Sicherheitsdiskurs besonders deutlich. Deutschland gehört weiterhin zu den sichersten Ländern der Welt. Die Kriminalitätszahlen bewegen sich seit Jahrzehnten auf niedrigem Niveau, doch viele Menschen haben das Gefühl, die Bedrohung nehme zu.[2] Diese Diskrepanz ist kein Zufall. Sie ist Ergebnis gezielter politischer Strategie. Rechtsextreme Akteure arbeiten daran, Ängste zu schüren, Misstrauen zu säen und den öffentlichen Blick auf die Realität zu verzerren. Ihr Ziel ist nicht nur Einfluss auf einzelne Themen, sondern die dauerhafte Verschiebung des politischen Koordinatensystems – bis demokratische Institutionen und Werte selbst infrage stehen. Ihre Methode ist es, rassistische und nationalistische Töne wieder in den Alltag einzuschleusen. Dafür spielt es keine Rolle, wie faktenfrei oder unsinnig Behauptungen sind – entscheidend ist ihre ständige Wiederholung. Wenn große Parteien oder Medien diese Muster übernehmen, normalisieren sie das Undenkbare!
Der Bundeskanzler und die CDU als Regierungspartei tragen eine besondere Verantwortung. Sie müssen zeigen, dass sie nicht nur die Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen, sondern sich auch inhaltlich von ihr abgrenzen. Das bedeutet, sich konsequent von ihren rassistischen Ideen und jeder Sprache der Abwertung zu distanzieren und stattdessen ein realistisches Bild unserer Migrationsgesellschaft zu vermitteln und den Zusammenhalt zu stärken.
„Rund 30 Prozent der Menschen in Deutschland haben eine internationale Familiengeschichte, in vielen Großstädten oft mehr als die Hälfte der jungen Generation. Migration ist kein Ausnahmezustand, sondern eine historische Normalität, die Entwicklung und Wohlstand fördert. Dass Politik und Medien diese Realität über Jahrzehnte kaum erklärt und gewürdigt haben, hat gravierende Folgen: Es hat Raum geschaffen für Angst, Unwissen und Ressentiments“, erklärt Tayfun Keltek, Vorsitzender des Landesintegrationsrates.
Menschen mit internationaler Familiengeschichte spüren die Folgen dieser Entwicklung sehr konkret. Sie erleben, dass sie in politischen Debatten erneut als „nicht zugehörig“ markiert werden. Viele fühlen sich in diesem Klima unsicher, haben Angst vor Anfeindungen, Gewalt und Ablehnung. Das betrifft nicht eine kleine Minderheit, sondern zentrale Teile unserer Gesellschaft – Menschen, die hier arbeiten, Familien gegründet haben, Verantwortung tragen und selbstverständlich dazugehören.
Die Stadtbilder unserer Gesellschaft sind von Vielfalt geprägt – von Migration, Mobilität, Globalisierung, Individualisierung und Pluralisierung. Diese Realität zu beklagen oder zu verteufeln, ist rückwärtsgewandt und gefährlich. Sie entspricht weder der gesellschaftlichen Wirklichkeit noch dem Selbstverständnis einer Demokratie.
Der Landesintegrationsrat NRW ruft den Bundeskanzler und alle demokratischen Parteien auf, den Mut zu haben, sich nicht nach rechts zu orientieren, sondern nach vorn. Eine klare Brandmauer braucht auch Inhalte, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie stärken – ebenso wie eine Sprache der Vernunft, der Aufklärung und der Zugehörigkeit.
[1] https://www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/zwischen-abgrenzung-einbindung-und-tolerierung
[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/197/umfrage/straftaten-in-deutschland-seit-1997/