
Jetzt gilt’s – ZUKUNFT braucht HALTUNG
24. September 2025Pressemitteilung des Landesintegrationsrates NRW vom 24. September 2025
Zahlen und Fakten zu den neuen Ausschüssen für Chancengerechtigkeit und Integration
Noch mehr Vielfalt in den Integrationsräten bei steigender Wahlbeteiligung – das sind die zentralen Ergebnisse der Integrationsratswahlen vom 14.09.2025. Über 4.200 Frauen und Männer bewarben sich um ein Mandat im Integrationsrat. Ca. 400 Listen und ca. 250 Einzelbewerber*in standen zur Wahl. Die meisten Mandate erlangten Kandidat*innen mit Bezügen zur Türkei. Die weiteren TOP 10 Herkunftsländer sind Deutschland, Syrien, Ukraine, Polen, Italien, Griechenland, Russland, Marokko und Iran. Bei 10,5 % der gewählten Kandidat*innen war keine Zuordnung zu einem bestimmten Herkunftsland möglich. Insgesamt sind Menschen aus über 90 Herkunftsländern direkt in die Integrationsräte gewählt worden (2020: 80); ein deutliches Zeichen, dass die Gremien internationaler geworden sind. Der Anteil der gewählten weiblichen Mitglieder stieg erneut von 41,3 % auf 43,1 %; das Durchschnittsalter in den Gremien liegt bei 46 Jahren.
„Die Integrationsräte bringen frischen Wind in die Kommunalpolitik“, sagt Tayfun Keltek, Vorsitzender des Landesintegrationsrates NRW. „Ich freue mich, dass der Frauenanteil in den Gremien weiter gestiegen ist. Die Integrationsräte zeigen schon seit vielen Jahren den Weg in die Zukunft – der Anteil von Frauen liegt stets über dem Anteil in den Stadträten, dem Landtag und dem Bundestag. Auch sind Integrationsratsmitglieder im Durchschnitt deutlich jünger als die Vertreter*innen in den Stadträten.“[1]
Der Blick auf die Herkunftsländer der gewählten Integrationsratsmitglieder zeigt, dass sich die Gremien weiter diversifizieren. Zudem schlägt sich das Migrationsgeschehen der vergangen Jahre auch im politischen Engagement nieder. „Wir beobachten, dass der Anteil Türkischstämmiger in den Gremien sink zugunsten derjenigen, die in den letzten Jahren nach Deutschland geflüchtet sind, insbesondere aus Syrien und der Ukraine. Die Zusammensetzung der Integrationsräte belegt einmal mehr, was Studien schon an anderer Stelle gezeigt haben: Menschen, die einmal zu uns gekommen sind, sind mittlerweile in unserer Mitte angekommen. Sie leben und arbeiten hier, zahlen Steuern und bringen sich in die Gesellschaft ein – als Integrationsratsmitglieder übernehmen sie Verantwortung und gestalten ihr Umfeld politisch aktiv mit“, erklärt Keltek.
Auch die Beteiligung an den Integrationsratswahlen ist erfreulich. Deutlich über eine halbe Million (540.034) Menschen mit internationaler Familiengeschichte machten von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Im Vergleich zu den Integrationsratswahlen 2020 sind damit 172.019 Wählerinnen und Wähler mehr für den Integrationsrat ins Wahllokal gegangen. Die Anzahl der Stimmabgaben stieg folglich um 46,74 % Prozentpunkte. Die durchschnittliche Wahlbeteiligung lag bei 15,5 % und damit 2,2 Prozentpunkte höher als 2020.
Tayfun Keltek: „Diese Zahlen sind beachtlich, wenn man den geringen Bekanntheitsgrad und die zahlreichen Hürden bedenkt, die die Wahlbeteiligung schmälern.“ Negativ auf die Wahlbeteiligung wirken sich unter anderem auch der fehlende Parteiapparat der Kandidat*innen aus. „Die Kommunalwahl war in aller Munde und die Wahlplakate der Parteien konnte keiner übersehen. Für die Kandidat*innen für die Integrationsratswahl gibt es kaum Möglichkeiten, die Wahl oder die eigene Person in der Öffentlichkeit bekannt zu machen – sie haben weder die finanziellen Mittel noch die Strukturen.“ Werden dann nicht alle Wahlberechtigten benachrichtigt, wie in zahlreichen Kommunen geschehen, oder die Wahl nur an wenigen Orten der Stadt ermöglicht, behindert das die Ausübung demokratischer Rechte erheblich.
Bemerkenswert ist die Teilnahme an den Wahlen aber auch vor dem Hintergrund, dass der Anstieg der Zahl der Wahlberechtigten äußerst dynamisch ist. Waren bei der Wahl 2014 noch 2 Mio. Menschen für den Integrationsrat wahlberechtigt, waren es 2020 schon 2,8 Mio. In diesem Jahr sind es noch einmal über 650.000 Personen mehr (ca. 3,48 Mio.). Aufgrund der großen Zahl an Neueingewanderten handelt es sich bei den neuen Wahlberechtigten häufig um Menschen, für die nicht nur der Integrationsrat neu ist, sondern die sich grundsätzlich erst in Deutschland orientieren und ein neues Leben aufbauen müssen.
Tayfun Keltek weist auf ein weiteres Problem hin, dass nach Einschätzung des Landesintegrationsrates negativ auf die Teilnahme an der Integrationsratswahl gewirkt hat: „Viele Menschen mit Wahlrecht sind irritiert, wenn sie die Wahlbenachrichtigung erhalten, denn sie leben schon lange in Deutschland und fühlen sich beim Begriff Integration nicht mehr angesprochen. Diese Gruppen – Eingebürgerte und Menschen, die als Kinder ausländischer Eltern in Deutschland geboren wurden – sind als Wahlberechtigte vor einigen Jahren in das Gesetz aufgenommen worden. Diese Änderung ging einher mit neuen Aufgaben für die Integrationsräte, die nicht mehr nur Integrationspolitik gestalten, sondern auch die Interessen derjenigen in die Kommunalpolitik einbringen sollten, die keine Integrationsangebote mehr benötigen. Eine Gestaltung einer offenen Gesellschaft, die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung und die Förderung natürlicher Mehrsprachigkeit sind Themen, die auch Menschen angehen, die schon lange hier leben. Einwanderung wird es immer geben und eine progressive Integrationspolitik bleibt von großer Bedeutung. Zugleich wird der Teil der Bevölkerung, der eine internationale Familiengeschichte hat, aber eben nicht kürzlich erst eingewandert ist, immer größer. Dieser Entwicklung trägt das neugestaltete Gesetz Rechnung.“
Zu dieser Entwicklung gehört auch der neue Name der Gremien, die mit Beginn der neuen Amtsperiode am 01.11.2025 Ausschüsse für Chancengerechtigkeit und Integration heißen werden. Der Landesintegrationsrat NRW bedauert sehr, dass die Änderung des Namens erst kurz vor der diesjährigen Wahl erfolgte und nicht mehr genutzt werden konnte, um insbesondere Eingebürgerte zu mobilisieren und die Funktion der Gremien für sie nachvollziehbarer zu machen.
[1] Vgl. https://www.kommunen.nrw/presse/pressemitteilungen/detail/dokument/kommunalpolitik-weiblicher-machen.html; https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/kommunalwahl-nrw-politikerinnen-100.html; https://www.boell.de/sites/default/files/2022-10/boell-frauenrepraesentation-i-d-kommunalpolitik.pdf¸ https://www1.wdr.de/nachrichten/wahlen/kommunalwahlen-2015/repraesentativ-stadtraete-100.html; https://www.landtag.nrw.de/home/der-landtag/abgeordnete-und–fraktionen/die-abgeordneten/statistiken/statistik-altersstruktur-17wp.html; https://www.landtag.nrw.de/home/der-landtag/abgeordnete-und–fraktionen/die-abgeordneten/statistiken/verteilung-der-geschlechter-im-1.html, (Angaben beziehen sich auf die noch laufende Amtsperiode der Stadträte bzw. des Landtages NRW). Alle Links abgerufen am 22.09.2025.