Brandmauer ja – bitte auch inhaltlich!
30. Oktober 2025Mitteilung des Landesintegrationsrates NRW am 3. November 2025
Gelungene Veranstaltung in Kooperation mit der Industrie und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg und dem Verband binationaler Familien und Partnerschaften NRW.
Die Veranstaltung „Jetzt gilt’s – Zukunft braucht Haltung“ am 28. Oktober 2025 in der IHK Bonn war ein voller Erfolg und geprägt von viel fachlicher Expertise und einem inspirierenden Erfahrungsaustausch. Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen, Verwaltung und Zivilgesellschaft tauschten sich aus, wie wirtschaftliches Handeln und demokratische Werte miteinander verbunden sind.
In der Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen aus Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen wurde deutlich, dass unternehmerischer Erfolg und gesellschaftliche Haltung sich nicht ausschließen. Betriebe sind seit Jahrzehnten auf eine internationale Belegschaft angewiesen. Babro Müller, Geschäftsleiterin der WMV GmbH stellte die Initiative „All together wow“ vor, die als Reaktion auf rechtsextreme Forderungen nach sogenannter Remigration entstand. Selçuk Kiliç, Unternehmer aus Duisburg, machte deutlich, dass die Rede von Fachkräftemangel oft an der Realität vorbeigeht. Nicht die Menschen fehlen, sondern der Wille, ihre Fähigkeiten anzuerkennen. Er beschrieb, wie viele Hürden erst entstehen, weil Kompetenz an Sprache oder Herkunft gemessen wird. Seine Aussage, die Fähigkeiten zu sehen statt der Defizite, traf den Kern der Diskussion.
Der Kabarettist Fatih Çevikkolu lenkte mit seinem Programm im Rahmen des Projektes „Mehr als du siehst“ die Aufmerksamkeit auf Lebensrealitäten, Kompetenzen und Perspektiven von Menschen mit internationaler Familiengeschichte, die sonst zu oft übersehen werden.
Engin Sakal, Geschäftsführer des Landesintegrationsrates NRW, verwies auf die demografische Realität: Ein Drittel der Bevölkerung in NRW hat eine internationale Familiengeschichte. Unter den Jugendlichen sind es über sechzig Prozent. Die öffentliche Debatte, die immer wieder um die Frage kreist, ob „Zuwanderung nützt“, verweigert die Anerkennung der Wirklichkeit. Sie reduziert Menschen auf ihre ökonomische Verwertbarkeit und blendet aus, dass Migration längst Teil der gesellschaftlichen Realität ist. Deutschland ist ein Einwanderungsland, auch wenn Politik und Medien diese Tatsache oft ausblenden. Diversität ist kein moralisches Ideal, sondern ein Fakt. Sie prägt Schulen, Arbeitsplätze, Nachbarschaften. Wir müssen uns als Gesellschaft damit auseinandersetzen, wie wir gerechte Teilhabe ermöglichen können: im Bildungssystem, auf dem Arbeitsmarkt, beim Diskriminierungsschutz, in der politischen Repräsentation.
Eine Studie von McKinsey schätzt den jährlichen Verlust in der deutschen Wirtschaft durch fehlende Diversität auf 100 Milliarden Euro – weil Bewerbungen von Menschen mit internationaler Familiengeschichte aussortiert werden, weil im Ausland erworbene Abschlüsse weniger zählen, weil Chefetagen homogen bleiben. Diese Zahl steht für ein System, das Potenziale übersieht und Menschen an den Rand drängt. Was hier ökonomisch messbar wird, wirkt in Schulen, in Verwaltungen, in der Politik weiter.
Die Veranstaltung zeigte, dass Menschen mit internationaler Familiengeschichte zwar längst alle Bereiche der Arbeitswelt prägen, ihre Leistung in der Öffentlichkeit aber dennoch oft unsichtbar bleibt und ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft weiter infrage gestellt wird. Solange Anerkennung an Herkunft gekoppelt bleibt, wird das Potenzial, das in dieser gesellschaftlichen Vielfalt liegt, verfehlt.
Herzlichen Dank an den Verband binationaler Familien und Partnerschaften und die IHK Bonn/Rhein-Sieg für die erfolgreiche Zusammenarbeit und die gelungene Veranstaltung!