Politische Kommunikation für Integrationsräte
28. August 2023Aufruf zur Solidarität und Hilfe für die Opfer von Erdbeben in Marokko und der Überschwemmungen in Libyen
14. September 2023Schlusswort auf der Veranstaltung „Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes jetzt!“, 9. September 2023, 15:00 Uhr, Landtag NRW
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Abgeordnete,
Meine Damen und Herren,
liebe Gäste,
mein Name ist Ksenija Sakelšek, stellvertretende Vorsitzende des Landesintegrationsrates NRW. Leider muss ich den Vorsitzenden Tayfun Keltek wegen einer dringenden persönlichen Angelegenheit entschuldigen. Er hat mich gebeten, seine herzlichen Grüße zu übermitteln und an seiner Stelle das Schlusswort der heutigen Veranstaltung zu sprechen.
Wir haben heute viele interessante Aspekte rund um die Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechtes erfahren und Einblicke in persönliche Erfahrungen und Meinungen erhalten. Gesetze sind zwar in aller Regel trocken, wenig zugänglich und in ihrer juristischen Sprache wirken sie meist weit entfernt vom tatsächlichen Leben der Menschen. Durch den Vortrag von Herrn Oberhäuser und durch die anschließende Diskussionsrunde ist das Gesetz, um das es heute ging, aber lebendig geworden. Mit aller Deutlichkeit wurde klar: diese Reform macht einen wirklichen Unterschied für zahlreiche Menschen mit internationaler Familiengeschichte, die hier bei uns in Deutschland, in NRW zuhause sind.
Das Gesetz ist ein Meilenstein für das Einwanderungsland Deutschland! Es stellt ein Bekenntnis zur Vielfalt in unserem Land dar und beendet die Ungleichbehandlung zwischen den unterschiedlichen Einwanderergruppen. Denn bislang durften nur Menschen aus bestimmten Herkunftsländern ihre bisherige Staatsangehörigkeit bei Einbürgerung behalten, alle anderen mussten sie abgeben. Als größte Migrantengruppe traf das die Türkischstämmigen am meisten. Ich gehe davon aus, dass sich ihre – konstant niedrige – Einbürgerungsquote nun positiv entwickeln wird, allerdings wird es sicherlich auch einige geben, die mit dem Thema Einbürgerung nach so vielen Jahren abgeschlossen haben.
Denn eines ist klar: Die Reform des Staatangehörigkeitsrechts haben wir uns deutlich früher gewünscht! Bereits nach der großen Reform im Jahr 2000 äußerte sich der Landesintegrationsrat – damals LAGA NRW – kritisch zur verpassten Chance, Mehrstaatigkeit grundsätzlich zu ermöglichen. Erinnert sei hier an die unsägliche Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft in Hessen.
Nichtsdestotrotz können wir zweifellos sagen: Besser spät als nie! Ich freue mich sehr, dass die Menschen mit internationaler Familiengeschichte hier in Deutschland in Zukunft nicht mehr vor der quälenden Entscheidung stehen müssen, entweder Deutsche oder Ausländer zu sein. Dass sie nicht mehr mit dem Vorwurf konfrontiert werden, dem ein oder anderen Land gegenüber illoyal zu sein. Dass sie nicht mehr gezwungen sind, die Herkunftsstaatsbürgerschaft aufzugeben, an der doch fast immer Emotionen und ein wichtiger Teil der Identität hängen. Für viele bedeutet die Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft daher die Anerkennung ihrer Herkunftsidentität, die sie nicht verleugnen können und möchten. Und alle, die sich nun sorgen machen, dass mit der doppelten Staatsbürgerschaft nun reihenweise Loyalitätskonflikte ins Haus stehen, kann ich beruhigen: Gelebte Mehrstaatigkeit ist längst Realität und der Normalfall bei der Einbürgerung, ohne dass es zu nennenswerten Problemen gekommen ist. Seit vielen Jahren finden die meisten Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit statt, zuletzt waren es 76% im Jahr 2022.
Ebenso sind natürlich die verkürzten Voraufenthaltszeiten als Voraussetzung für die Einbürgerung eine positive Entwicklung. Allerdings gibt es einige Wermutstropfen. Völlig unverständlich ist, warum Menschen von der Einbürgerung ausgeschlossen werden sollen, die unverschuldet auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Herr Oberhäuser ist ausführlich auf diesen Punkt eingegangen. Bedauerlich ist auch, dass für ehemalige sogenannte Gastarbeiter lediglich auf den Nachweis schriftlicher Deutschkenntnisse verzichtet werden soll. Vor dem Hintergrund der stark ideologisch aufgeladenen Debatten der letzten Monate sind diese und andere Punkte wohl Zugeständnisse an die Kritiker der Reform.
Meine Damen und Herren,
Mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts steigen die Chancen für ein gleichberechtigtes Miteinander in unserem Land. Unsere Demokratie kann nur davon profitieren, wenn sich mehr Menschen einbürgern lassen und die teils große Kluft zwischen Wahl- und Wohnbevölkerung schrumpft. Jetzt sind die Ausländer- und Einbürgerungsbehörden gefragt, damit die Reform auch umgesetzt werden kann. Zuallererst müssen die zum Teil dramatischen Personalengpässe entschieden angegangen werden, damit der Bearbeitungsstau endlich ein Ende hat. Auch in Hinblick auf Serviceorientierung und rassismuskritischer Ausrichtung muss noch viel passieren, denn nur so können aus Ausländerbehörden Willkommensbehörden werden, die unser Land so dringend braucht.
Ich danke der Fraktion der Grünen für die gute Zusammenarbeit, sowie Herrn Oberhäuser und den Teilnehmenden der Diskussionsrunde für ihre interessanten Beiträge.
Herzlichen Dank auch an alle Gäste für ihr kommen. Ihr zahlreiches Erscheinen zeigt doch, welche Bedeutung die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes hat und welche Signalwirkung davon ausgeht.
Vielen Dank!
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