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Mehrfachdiskriminierung ernst nehmen!
25. November 2022
Chancengerechtigkeit von Anfang an!
8. Dezember 2022Pressemitteilung des Landesintegrationsrates NRW vom 28.11.2022 zur geplanten Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts
Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag Erleichterungen bei der Einbürgerung versprochen und die Abkehr vom Prinzip der Einstaatigkeit angekündigt. Doch kaum werden die längst überfälligen Reformen konkret angepackt, hagelt es Kritik. Tayfun Keltek, Vorsitzender des Landesintegrationsrates zeigt sich empört angesichts der Hetze: „Seit Jahrzehnten betreiben manche Parteien Wahlkampf auf dem Rücken der Menschen mit internationaler Familiengeschichte. Es soll offenbar eine Tradition fortgeführt werden, die 1999 mit der unsäglichen Unterschriften-Kampagne Roland Kochs in Hessen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft begann. Dabei ist die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts längst überfällig, auch wenn das einige reaktionäre Kräfte nicht wahrhaben wollen! Nun vom ‚Verramschen‘ der deutschen Staatangehörigkeit zu sprechen oder gar von einer Einwanderung in die deutschen Sicherungssysteme ist schändlich und eines serösen Politikers unwürdig.“ Richtig ist: Sozialleistungen werden unabhängig von der Staatsangehörigkeit ausgezahlt. Wer jedoch eingebürgert werden möchte, muss seinen Lebensunterhalt selbst finanzieren können, von einer Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme kann also keine Rede sein.
Das Niveau der Diskussion über die Gesetzesreform sei teils unterirdisch, erklärt Keltek weiter. Es werden rassistische Vorurteile bedient, Angst vor dem vermeintlich ‚Fremden‘ verbreitet und Vorstellungen von Zugehörigkeit an die Herkunft der Menschen geknüpft. „Die Schreihälse in dieser unrühmlichen Debatte wissen nur zu gut, dass Einbürgerungen schon lange überwiegend unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen, also der Normalfall sind. Hier wird auf diskriminierende Weise nach Herkunftsland unterschieden. So kommt es, dass das überkommene Prinzip der Einstaatigkeit Menschen aus Drittstaaten schlechter stellt als beispielsweise EU-Angehörige.
Dabei ist Deutschland abhängig von Einwanderung, gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Deshalb sollte überlegt werden, wie sich das Land attraktiver aufstellen und für mehr Chancengerechtigkeit sorgen kann. Denn die Demokratie ist in Deutschland ohnehin längst gefährdet, weil zahlreiche Menschen hier zwar ihren Lebensmittpunkt haben aber nicht in Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind. Vielerorts tut sich eine große Lücke zwischen Wahl- und Wohnbevölkerung auf. „Der Mythos hält sich hartnäckig, dass Integration mit dem deutschen Pass und dem Wahlrecht abgeschlossen sei und bis dahin ein Katalog an Integrationsleistungen erbracht werden müsse. Das Gegenteil ist der Fall: Integration beginnt mit Teilhabe“, so Keltek. Er ruft die Politikerinnen und Politiker zu Besonnenheit und Sachlichkeit auf. „Die Lebensrealitäten der Menschen mit internationaler Familiengeschichte dürfen nicht ausgeblendet werden. Der populistische Umgang mit dem Thema Staatsbürgerschaft setzt falsche Signale und ist Wasser auf die Mühlen der extremistischen Kräfte,“ so Keltek abschließend.