Stellungnahme des Landesintegrationsrates NRW zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP
5. Oktober 2018Stellungnahme des Landesintegrationsrates NRW zum Ausführungsgesetz zu § 47 1b AsylG
31. Oktober 2018Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2019 (Haushaltsgesetz), Drucksache 17/3300
Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2019), Drucksache 17/3303
Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2018 (Nachtragshaushaltsgesetz 2018), Drucksache 17/3400
vom 01.10.2018
Der Landesintegrationsrat bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den den Haushalt 2019 betreffenden Gesetzentwürfen und die Einladung zur Anhörung am 4. Oktober 2018. Die Berücksichtigung integrationsspezifischer Haushaltsplanungen wird ausdrücklich begrüßt.
Die Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen (NRW) hat für die Gesamtgesellschaft an Bedeutung weiter zugenommen. Um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu erhalten, muss daher entsprechendes geleistet werden. Das heißt, dass strukturelle integrationspolitische Ansätze zu fördern, finanzielle Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung zu stellen, aber auch zielgerichtet einzusetzen sind. Zwar gibt es viele Projekte, die gefördert werden, jedoch kommen diese nicht immer den Betroffenen, den Migrantinnen und Migranten zugute. Pro-jektförderungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass eine Art „Integrationsindustrie“ entstanden ist. Dabei stellt sich gelegentlich die Frage, ob die Projekte für die Betroffenen gemacht werden oder ob sie eher eine Existenzberechtigung der jeweiligen Träger darstel-len. Dieser Zustand muss optimiert und zugunsten der Migrantinnen und Migranten umge-staltet werden. Diese sollten in die Konzeption von Integrationsmaßnahmen einbezogen und an der Umsetzung beteiligt werden.
Es bedarf darüber hinaus intensiver Anstrengungen, um von zahlreichen guten Projektförde-rungen im Bereich der Integration hin zur dauerhaften institutionellen Förderung zu gelan-gen. So können die guten Ansätze verstetigt und weiterentwickelt werden. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten hat sich herausgestellt, dass jede unterlassene Investition in In-tegration – sei es im Bildungsbereich oder auf dem Arbeitsmarkt – später deutlich höhere Folgekosten verursacht (hat). Integration kostet Geld, ist aber der Schlüssel für ein friedli-ches und gleichberechtigtes Zusammenleben der Menschen in unserem Land.
Der Landesintegrationsrat NRW verfolgt das Ziel, die Chancengleichheit für Migrantinnen und Migranten herzustellen, sie vor Rassismus zu schützen sowie eine Gleichbehandlung im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Vor allem müssen ihre Potenziale wertgeschätzt werden. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft.
Die Zahl der Migrantinnen und Migranten in NRW ist in den letzten Jahren gestiegen. Im Rahmen der EU-Freizügigkeit und aus anderen Zuwanderungsgründen kann eine weitere Steigerung für die kommenden Jahre und Jahrzehnte erwartet werden. Auch dadurch wird die Frage der Integration von Einwanderern in unsere Gesellschaft weiter an Bedeutung ge-winnen. Die Herausforderungen an unsere Gesellschaft, sei es politischer, sozialer oder ge-sellschaftlicher Art, wachsen dabei mit. Der Landesintegrationsrat vertritt die Auffassung und sieht die Notwendigkeit, dass die Menschen mit Migrationshintergrund mittel- und lang-fristig in die Regelsysteme im Bildungsbereich und auf dem Arbeitsmarkt aufgenommen werden müssen.
Bei der Gestaltung des Integrationsprozesses hält der Landesintegrationsrat NRW neue Handlungsansätze, aber auch die Verstetigung bestehender Strategien und Maßnahmen für unverzichtbar. Beispielsweise muss die Interkulturelle Öffnung der Verwaltungen weiter vo-rangetrieben werden. Während der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund steigt, ist ihr Anteil in der öffentlichen Verwaltung, trotz Einleitung zahlreicher Maßnahmen, immer noch vergleichsweise sehr gering. Zwar wächst der Anteil bei den Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern stetig, dennoch entspricht er nicht ihrem Bevölkerungsanteil. Ihre Stärken, wie beispielsweise die interkulturelle Kompetenz, müssen in den Fokus rücken.
Der bisherige, überwiegend defizitorientierte Blick auf die Migrantinnen und Migranten muss sich in eine potenzialorientierte Sichtweise ändern. Dies bedeutet einen Paradigmen-wechsel.
Jede/r dritte Schüler/in NRW hat einen Migrationshintergrund. Die Herkunftssprachen dieser Kinder müssen als Instrument für das Erlernen der deutschen Sprache eingesetzt werden. Ein koordinierter Spracherwerb würde nicht nur ihre Schulerfolge deutlich verbessern. Damit muss jedoch bereits im Elementarbereich begonnen und die Bilingualität schon dann geför-dert werden. Dies stärkt auch die (bikulturelle) Identität dieser Kinder und Jugendlichen, eine wesentliche Voraussetzung für die Integration in der Gesellschaft.
Nach der ersten PISA-Studie Anfang 2000 legte der Landesintegrationsrat Vorschläge zur Verbesserung der Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund vor. Bis heute blieben sie ohne Berücksichtigung. Die entsprechenden fortlaufenden Ergebnisse der PISA-Studie zeigen, dass sich die Bildungssituation bei ihnen nicht verbessert sondern eher verschlechtert hat. Während bei den einheimischen Kindern ein positiver Trend festzustellen ist, werden die Migrantenkinder abgehängt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um die Gesellschaft langfristig zu bereichern und zu stärken.
Ein weiterer wichtiger Ansatz zum Gelingen der Integration ist die politische Teilhabe und damit die Einführung des Kommunalen Wahlrechtes für dauerhaft hier lebende Migrantin-nen und Migranten aus Nicht-EU-Ländern. Diese Einführung wurde im Jahr 2017 zum großen Bedauern des Landesintegrationsrates mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP im Landtag NRW – im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten – abgelehnt. Vielen Menschen in NRW wurde dadurch die Chance verwehrt, sich politisch einzubringen.
Bekanntlich ist Integration ein vielschichtiger Prozess, der alle Mitglieder einer Einwande-rungsgesellschaft betrifft und von allen Beteiligten entsprechende Anstrengungen erfordert. Die Integrationsräte sind Gremien, in denen diese Anstrengungen gebündelt werden. Sie vereinen in den Kommunen fachliche Kompetenz und politische Vertretung der Menschen mit Migrationshintergrund. Die Einführung des kommunalen Wahlrechts hätte zur Stärkung dieser Gremien, der Integrationsräte, beigetragen.
In diesem Zusammenhang sollten auch die Migrantenorganisationen nicht außer Acht gelas-sen werden. Sie leisten für unsere Gesellschaft einen erheblichen Beitrag. Nicht zuletzt durch die Hilfe der zahlreichen ehrenamtlich tätigen Menschen dieser Vereine konnte die Aufnah-me der großen Anzahl an Flüchtlingen gemeistert werden. Deren schnellere und bessere Integration wird durch die Unterstützung der Migrantenorganisationen maßgeblich befördert.
Des Weiteren müssen die rassistischen und rechtsextremen Entwicklungen bekämpft und Präventivmaßnahmen ergriffen werden. Aktuelle Ereignisse wie in Chemnitz, aber auch der NSU-Prozess haben deutlich gezeigt, dass rassistische Haltungen in der Gesellschaft bestehen und die Migrantinnen und Migranten verunsichern.
Abschließend ist festzustellen, dass die Anforderungen an die Gesellschaft insgesamt und damit an den Landesintegrationsrat im Speziellen gewachsen sind und weiterhin zunehmen werden. Um auch den steigenden Herausforderungen auch zukünftig gerecht werden zu können, ist der Landesintegrationsrat auf die Erhöhung seines Budgets angewiesen. Daher bittet der Landesintegrationsrat den Landtag, bei der Haushaltsplanung die Erhöhung des Budgets für die bevorstehenden Jahre zu berücksichtigen.