Stellungnahme zur politischen Partizipation
19. November 2019Abschluss des Projekts „Interkulturelle Elternarbeit“
21. November 2019Der Landesintegrationsrat NRW möchte gerne die untenstehende Stellungnahme für die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum „Gesetz zur qualitativen Weiterentwicklung der frühen Bildung“ abgeben.
Der Landesintegrationsrat nimmt erfreut zur Kenntnis, dass die Landesregierung im Bereich der frühkindlichen Bildung insbesondere die Entwicklung von Sprachkompetenz (§ 17 bis § 19) und die Erziehung zur Demokratiefähigkeit (§ 7 und § 16) als Grundlage für die individuelle Entwicklung von Kindern und die Verbesserung der Chancengerechtigkeit in Nordrhein-Westfalen ausdrücklich in den Mittelpunkt stellt. Die im Gesetzentwurf geregelte qualitätsorientierte Entwicklung von standortspezifischen Konzepten (§ 17) zur alltagsintegrierten Sprachbildung, Gesundheitsvorsorge und demokratischen Teilhabe (§ 9 bis § 11) wird damit für alle Kitas unseres Landes verbindlich. Auch die Qualifizierung und fachliche Begleitung des pädagogischen Personals (§ 6) wird als Landesregelung vorgehalten und mit Stellen und Ressourcen hinterlegt.
Als besonders positiv stuft der Landesintegrationsrat NRW die Schaffung eigener Paragraphen für die Partizipation der Kinder (§ 16) und deren sprachlicher Förderung ein (§ 19). Die durch § 16 angestrebte Befähigung der Kinder ihrem Alter und ihrer Entwicklung entsprechend Entscheidungsprozesse mit zu tragen und eigene Bedürfnisse und Ideen einzubringen, führt die Kinder nicht nur zu einer ersten demokratischen Befähigung und der Befähigung zur Teilhabe heran. Darüber hinaus unterstützt sie nicht nur die individuelle Persönlichkeitsentwicklung, die Möglichkeiten eigenständiger Erschließung von sozialen Zusammenhängen im eigenen Lebensumfeld, sondern trägt zugleich auch der heterogenen Zusammensetzung der Gruppe der Kinder Rechnung. Hierbei ist die Wahrung der Kinderrechte und die Möglichkeit Beschwerden vorzubringen von besonderer Bedeutung.
Entsprechend dem bildungspolitischen Programm des Landesintegrationsrats regen wir im Geiste des Entwurfs einige Ergänzungen/Änderungen von Einzelregelungen an.
Das in § 7 formulierte Diskriminierungsverbot bezieht sich ausdrücklich lediglich auf die Aufnahme eines Kindes in eine Kindertageseinrichtung. Wir regen an, den Schutz vor Diskriminierung innerhalb der Einrichtung in § 7 aufzunehmen. Innerhalb der Formulierung des Gesetzes regen wir darüber hinaus an, den Begriff Rasse, aufgrund seiner rassistischen Konnotation durch den Begriff rassistische Zuschreibung zu ersetzen. Wir schlagen folgenden Wortlaut vor:
Jedes Kind hat ein Recht auf diskriminierungsfreie Bildung und Erziehung ungeachtet insbesondere einer möglichen Behinderung, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen Zuschreibung, des Geschlechts, der Geschlechtsidentität, des Glaubens, der Sprache, der Nationalität, der sozialen und familiären Herkunft seiner selbst und seiner Erziehungsberechtigten oder aus vergleichbaren Gründen. Keinem Kind darf der Zugang zu Bildung und Erziehung in einer Kindertageseinrichtung aufgrund einer der oben genannten Zuschreibungen bzw. Zugehörigkeiten verweigert werden.
Um dies innerhalb der Kindertageseinrichtungen zu gewährleisten, schlagen wir des Weiteren vor, § 17 durch eine positiv formulierte Aussage zur Gestaltung von Antidiskriminierung im pädagogischen Alltag zu ergänzen:
Die pädagogische Konzeption beinhaltet ´zur Sicherung der Rechte der Kinder´ auch Vereinbarungen zur Friedenserziehung, Interkulturalität und Antidiskriminierung.
Immer mehr Kinder mit immer mehr verschiedenen Familiensprachen werden in unseren Kindertageseinrichtungen angemeldet. Die aktuelle Sprachentwicklungsforschung belegt, dass die individuelle Familiensprache Grundlage der weiteren Sprachbildung ist. Sprachkompetenz entwickelt sich zunächst in der identitätsstiftenden Kultur und sozialen Situation der Familie. Zur kontinuierlichen pädagogischen Unterstützung der Entwicklung des Kindes darf die Kita die Herkunftssprache nicht ausblenden. Nur durch Wertschätzung und Akzeptanz der bi- oder gar multikulturellen Identität, die durch die Familiensprache/n zum Ausdruck kommt, ist eine nachhaltige Integration der Kinder und hierüber auch ihrer Familien möglich.
Diese Erkenntnis findet sich ansatzweise in § 19 im Absatz 4 wieder. Angesichts der demographischen Entwicklung empfehlen wir, die Absätze 1 und 4 zu konkretisieren:
(1) Zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages gehört die kontinuierliche Förderung der sprachlichen Entwicklung. Sprachbildung ist ein alltagsintegrierter, wesentlicher Bestandteil der frühkindlichen Bildung. Die Familiensprache ist schon in den ersten Lebensjahren das wichtigste Denk- und Verständigungswerkzeug.
(4) Die natürliche Mehrsprachigkeit von Kindern ist anzuerkennen und zu fördern. Sie wird in die alltagsintegrierte Sprachbildung aufgenommen und durch geeignete Maßnahmen wie die Förderung in bilingualen Kindertageseinrichtungen oder bilingualer Kindertagespflege unterstützt werden. Die Sprachentwicklung wird im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten auch in anderen Familiensprachen beobachtet und gefördert werden.
Um, wie im Koalitionsvertrag der Landesregierung festgelegt, die Förderung der Mehrsprachigkeit effektiv und effizient umzusetzen, sollten die künftig nach § 20 Abs. 2 durch die Jugendämter anonym erhobenen Daten über die in den Kindertageseinrichtungen vertretenen Familiensprachen genutzt werden, um bilinguale Angebote den lokalen Gegebenheiten entsprechend auszuweiten. Hier sollte die Landesregierung die Potentiale der natürlichen Zweisprachigkeit des pädagogischen Fachpersonals nutzen.
In jeder Stadt Nordrhein-Westfalens sind hunderte Erzieher/innen ansässig, die über das Potential der natürlichen Mehrsprachigkeit verfügen. Dieses Potential darf nicht weiter
brachliegen; es muss dringend ausgeschöpft werden. Zumal dies keine großen Investitionen erfordert, da die alltagsintegrierte Sprachbildung durch Immersion erfolgt. Daher gilt es das pädagogische Fachpersonal, das über das Potential natürlicher Zweisprachigkeit verfügt, gezielt und entsprechend der Zusammensetzung der Gruppen in den Kindertageseinrichtungen einzusetzen. Die Kompetenzen und Leistungen dieser Erzieher/innen sollten dringend anerkannt und honoriert werden.
Des Weiteren ist es für die Förderung der natürlichen Zweisprachigkeit unabdingbar auch die einsprachigen pädagogischen Fachkräfte vor Ort mit dem Konzept der Förderung der natürlichen Zweisprachigkeit vertraut zu machen und entsprechend fortzubilden.
Um die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes und Chancengerechtigkeit zu gewährleisten, müssen zielgruppenorientierte und den Lebensrealitäten der Kinder entsprechende Konzepte und Methoden zeitnah entwickelt und umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere auch für die Förderung der Sprachkompetenzen der Kinder. In diesem Zusammenhang bewertet der Landesintegrationsrat NRW die neu eingeführte Regelung zur Fachberatung als äußerst positiv. Die Begleitung zur Unterstützung im organisatorischen und fachlichen Bereich, zur Qualitätssicherung, zur Übermittlung fachpolitischer Änderungen und Regeländerungen sowie die verstetigte Qualifizierung des fachpädagogischen Personals ist dringend notwendig, um den gestiegenen Anforderungen an die Betreuung und frühkindliche Bildung – insbesondere auch im Bereich der alltagsintegrierten Sprachförderung – sowie auch den einzelnen Kindern gerecht zu werden.
Der Landesintegrationsrat begrüßt des Weiteren, dass die Landesregierung durch flexiblere Möglichkeiten der Anmeldung in Kitas anderer Kommunen und die Ausweitung der Betreuungszeiten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert. Auch die ökonomische Entlastung der Familien durch die Befreiung vom Kostenbeitrag für die Betreuung in einer Kindertageseinrichtung in den letzten beiden Jahren vor der Einschulung wird positiv aufgenommen.