Auftaktveranstaltungen zum Gedenken anlässlich des 25. Jahrestages zum Solinger Brandanschlag – Vielfalt schätzen – Rassismus ächten!
28. Mai 2018Stellungnahme des Landesintegrationsrates NRW
18. Juni 2018Kölner Appell gegen Rassismus und Rechtsextremismus
Vor 25 Jahren kamen bei dem rassistischen Brandanschlag auf das Wohnhaus von Familie Genç fünf Menschen ums Leben. Er ereignete sich am 29. Mai 1993, kurz nach der Änderung des Grundrechts auf Asyl und einer nahezu hysterisch geführten Debatte um Flüchtlinge und Einwanderung. Die politische Diskussion ging mit einer Welle rassistischer Gewalt in deutschen Städten einher. Eine angemessene Reaktion der Bundespolitik, der Medien und auch der Strafverfolgung auf die rassistischen Ausschreitungen blieb aus.
Das überwiegend einwanderungsfeindliche politische und gesellschaftliche Klima beförderte in den 1990er Jahren die Festigung und Radikalisierung rechtsextremer Gruppierungen, die sich immer seltener in Parteien oder Vereinen und zunehmend in informellen Strukturen organisierten. Auch die Entstehung des Terrornetzwerkes NSU fällt in diese Zeit. Bis 2007 ermordeten die Rechtsterroristen 10 Menschen, verübten Bombenanschläge und zahlreiche Raubüberfälle. Erst 2011 wurde der NSU der Öffentlichkeit durch den mutmaßlichen Selbstmord von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bekannt.
Gehören Rassismus und Rechtsterrorismus damit der Vergangenheit an? Angesichts der mehr als schleppenden Aufklärung der NSU-Mordserie durch teils gezielte Sabotage des Verfassungsschutzes und politischer Verantwortungsträger darf dies bezweifelt werden. Mehr noch: Auch heute beherrschen oftmals polemisch geführte Debatten über bestimmte Einwanderergruppen die öffentliche Wahrnehmung über Einwanderung. Beinahe täglich erleben wir Anfeindungen und Angriffe auf Migrantinnen und Migranten, (Brand)Anschläge auf Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte. Laut Bundesinnenministerium wurden im Jahr 2017 mindestens 950 Anschläge auf Moscheen und über 2200 Angriffe auf Flüchtlinge oder ihre Unterkünfte verübt. Die Gewaltbereitschaft von Menschen mit rassistischen Einstellungen und der Organisationsgrad informeller rechter Gruppen sind nach wie vor hoch.
Seit Langem weisen Wissenschaftler/innen darauf hin, dass Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Wenig verwunderlich ist deshalb, dass institutioneller Rassismus nach wie vor ein weitverbreitetes Problem in Behörden und öffentlichen Einrichtungen ist. Auch der Aufstieg der rechtspopulistischen Parteien ist vor diesem Hintergrund zu erklären, die mittlerweile in zahlreichen Kommunalparlamenten, Landtagen und im Bundestag vertreten sind. Die Übernahme rechter Forderungen durch demokratische Parteien – sei es durch stetige Verschärfungen des Asylrechts oder das Heraufbeschwören einer Bedrohungslage durch muslimische Gläubige – ist ihr dabei von Nutzen gewesen. Rechtspopulisten werden gestärkt, wenn ihre Positionen anschlussfähig sind und Legitimierung durch Politiker anderer Parteien erfahren.
Der Landesintegrationsrat stellt sich entschieden gegen antimuslimischen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und jegliche Art von Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Religion, Geschlecht, Hautfarbe oder Weltanschauung. Er warnt daher eindringlich davor, die Normalisierung rechter Aussagen weiter voranzutreiben. Stattdessen muss klar Position bezogen werden gegen Rassismus und Rechtsextremismus und für die offene und vielfältige Einwanderungsgesellschaft. Politik und Medien müssen zeigen, dass sie aus der Geschichte gelernt haben und Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Dazu gehört, die Schaffung eines Klimas der Wertschätzung und des Förderns, das Menschen mit Migrationshintergrund den Rücken stärkt. Dazu gehört auch, rechtliche Benachteiligungen endlich zu beseitigen und Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen.
Die Mehrheit der Gesellschaft lehnt Rassismus ab. Für sie ist ein friedliches und weltoffenes Zusammenleben gelebter Alltag. Es darf nicht länger hingenommen werden, dass die rechte
Minderheit in Politik und Medien den Ton angibt. Stattdessen müssen die Migrantinnen und Migranten und die zahllosen Menschen, die sich in Initiativen und Vereinen für eine Gesellschaft ohne Rassismus einsetzen, eine starke Stimme in Politik und Öffentlichkeit bekommen.
Der Landesintegrationsrat NRW fordert:
- Die Wahrnehmung von Rassismus und Rechtsextremismus als Gefahr für die gesamte Gesellschaft und eine entsprechende Priorisierung der Gegenmaßnahmen in der politischen Agenda
- Die konsequente Umsetzung des Integrierten Handlungskonzeptes gegen Rechtsextremismus und Rassismus in NRW
- Die Errichtung eines NRW-Mahnmals zum Gedenken an die Opfer rechter Gewalt
- Die Weiterführung des NSU-Untersuchungsausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag
- Das Auflegen eines Programms zur Bekämpfung des institutionellen Rassismus
- Den Beitritt der Städte in NRW zur Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus
- Das Auflegen politischer Bildungsprogramme; Aufklärungsarbeit in Bildungseinrichtungen, Vereinen und Organisationen
- Die Verbesserung der Erfassung und die konsequente Ahndung rechter Straftaten
- Der Ausbau von Unterstützungsmöglichkeiten für Opfer rassistischer Diskriminierung und Gewalt
- Die Entwicklung von Konzepten zur Förderung antirassistischer Initiativen
Darüber hinaus fordert der Landesintegrationsrat im Rahmen des Bemühens um eine echte Willkommenskultur:
- Einen Perspektivwechsel auf Einwanderung: Die Abkehr von der Defizitorientierung und die Hinwendung zu einer potentialorientierten Sichtweise auf Migrantinnen und Migranten
- Anerkennung und Unterstützung zweisprachiger und bikultureller Kompetenzen
- Unterstützung und Weiterentwicklung der Integrationsräte als politische Vertretungsgremien der Migrantinnen und Migranten in den Kommunen NRWs
- Die Einführung des (kommunalen) Wahlrechts für Drittstaatsangehörige
- Die generelle Zulassung von Mehrstaatigkeit
- Chancengleichheit aller Einwohnerinnen und Einwohner Nordrhein-Westfalens auf dem Wohnungs-, Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
- Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und staatlicher Einrichtungen.