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8. März 2023Rassismus ächten – Potenziale schätzen – Chancengerechtigkeit schaffen!
21. März 2023Resolution zur Novellierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes
Die von der Bundesregierung angekündigte Gesetzesreform des Staatsangehörigkeitsgesetzes ist im Sinne der Einwohnerinnen und Einwohner unseres Staates mit internationaler Familiengeschichte und kommt zugleich der gesamten Gesellschaft zugute. Mehr noch: Eine Reform des Gesetzes, die auf den Abbau von Barrieren zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft abzielt und die Hinnahme von Mehrstaatigkeit prinzipiell beinhaltet, ist schon seit Jahrzehnten überfällig. Dieser notwendige Schritt darf keinesfalls machtpolitischen Interessen und rassistischen Tendenzen zum Opfer fallen – Rechtspopulismus ist Gift für unsere Gesellschaft!
Längst ist Deutschland ein Einwanderungsland, dessen geistiger Reichtum sich aus einer Vielzahl kultureller Einflüsse und gegenseitiger Bereicherung speist. Ein modernes Einwanderungsland zeichnet sich durch ein Staatsangehörigkeitsrecht aus, dass allen Einwohnerinnen und Einwohner, die es zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht haben und auf vielerlei Arten und Weisen einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, einen adäquaten Zugang zur Staatsbürgerschaft ermöglicht. Ein Großteil der Menschen mit internationaler Familiengeschichte lebt seit Generationen in der Bundesrepublik Deutschland und identifiziert sich mit diesem Land, seiner Verfassung, seiner Sprache, seinen Traditionen, seinen Werten und seiner Geschichte. Diese Menschen bereichern unsere Gesellschaft nicht nur durch ihren besonderen kulturellen Reichtum und spezifische Ressourcen, sie erziehen ihre Kinder hierzulande, leisten Steuern und Sozialabgaben und engagieren sich gesellschaftlich oder politisch für dieses Land. Sie prägen unsere gemeinsame Geschichte und unser Zusammenleben.
Durch die Pläne der Regierungskoalition kann endlich eine angemessene Erweiterung der Teilhabemöglichkeiten der Menschen mit internationaler Familiengeschichte realisiert werden. So kann die klaffende Lücke zwischen Wohn- und Wahlbevölkerung geschlossen werden und die Menschen, die hier leben und arbeiten das aktive und passive Wahlrecht auf allen Ebenen wahrnehmen und unsere Gesellschaft mitgestalten. Das ist ein enormer Gewinn für unserer Demokratie!
Mit der deutschen Staatsangehörigkeit gehen auch bessere Teilhabemöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt sowie in den Bereichen Schule und Bildung einher. Zudem wird durch einen verbesserten Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit der Einbürgerungswille gestärkt und das Zugehörigkeitsgefühl zum deutschen Staat nochmals erneuert und bekräftigt. Dass die Einbürgerung künftig zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt, nach fünf Jahren erfolgen kann, bei besonders schneller Integration sogar schon nach drei Jahren, ist äußerst positiv, denn es entspricht der Zeit, die es braucht heimisch zu werden, bei weitem.
Den bi- und mehrkulturellen Identitäten, die zur Lebensrealität der Menschen mit internationaler Familiengeschichte gehören werden durch die angekündigte Hinnahme von Mehrstaatigkeit widergespiegelt. So wird die Novellierung nicht nur der seit Generationen gelebten Realität der Individuen mit internationalen Background gerecht, vielmehr erfolgt endlich eine Wertschätzung der Menschen mit all ihrem kulturellen Reichtum, ihrer Herkunftsidentitäten. Neben der Identifikation mit Deutschland wird auch die Identifikation mit Ideen, Werten, Traditionen und der Historie der Herkunftskultur bzw. des Herkunftslands. Die Wertschätzung der Menschen mit ihren besonderen Identitäten, die Anerkennung ihrer Potenziale wie auch ihrer Lebensrealität wirkt zudem Ideologien von der Ungleichwertigkeit „echter Deutscher“ und „Migranten“ bzw. „Menschen mit Migrationshintergrund“ entgegen. Vielmehr wird eine effektive und nachhaltige Rassismus-Prävention installiert und die „ethnisch“ vielfältige, deutsche Bevölkerung vereint.
Die Gesetzesnovellierung rührt nicht an den Voraussetzungen zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft. Dazu gehören gute Sprachkenntnisse im Deutschen sowie die Sicherstellung des eigenen Lebensunterhaltes durch ein geregeltes Einkommen. Im Übrigen ist der Bezug von Sozialleistungen keineswegs an die deutsche Staatsangehörigkeit gekoppelt. Behauptungen, die Menschen würden in die Sozialsysteme „einwandern“ und entwerteten den Status als deutsche Bürgerinnen und Bürger sind wohl kalkulierte Falschaussagen. Schlimmer noch, sie sind rechtspopulistischer und rassistischer Natur.
Eine erleichterte Einbürgerung von Seniorinnen und Senioren, nicht nur der sogenannten Gastarbeitergeneration, indem u.a. auf einen Sprachnachweis verzichtet wird, sind mehr als angemessen. So haben die durch Anwerbeabkommen eingewanderten Menschen ihre Arbeitskraft für den Wohlstand der Bundesrepublik eingesetzt, jedoch keinerlei Sprachförderangebote im Deutschen erhalten. Andere Seniorinnen und Senioren, z.B. solche mit Fluchterfahrung, sind oftmals altersbedingt kognitiv nicht mehr imstande diesen Spracherwerb zu leisten – gleichwohl sind sie wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft.
Die Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts der Bundesrepublik Deutschland erfolgt nicht allein im Interesse der Einbürgerungswilligen. Darüber hinaus wird der demokratische Rechtsstaat gestärkt und das friedliche gleichberechtigte Zusammenleben in einer Gesellschaft befördert. Es handelt sich um einen Gewinn für die gesamte vielfältige deutschen Bevölkerung!
Dieser Gewinn und Fortschritt darf nicht durch einen „Generationenschnitt“, der die Enkelgeneration der Menschen mit „Doppelter Staatsbürgerschaft“ ausschließt, zurückgeworfen werden. Zumal kein „Generationenschnitt“ für EU-Bürgerinnen und Bürger existiert, für die seit Jahrzehnten die Möglichkeit einer Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit besteht. Eine derartige Regelung hätte zur Folge, dass deutsche Staatsbürger mit Wurzeln in sogenannten Drittstaaten, gegenüber deutschen Staatsbürgern deren Herkunftsland in der Europäischen Union liegt, benachteiligt werden. Dies steht in einem eklatanten Gegensatz zu den Werten unseres Grundgesetzes. Auch derlei Vorstöße sind klar als Rechtspopulismus einzuordnen.
Der Landesintegrationsrat NRW und seine Mitgliedsgremien, die Integrationsräte und -ausschüsse der Kommunen fordern, die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes wie angekündigt umzusetzen. Dies gilt insbesondere für…
- die Verkürzung der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts von acht Jahren auf fünf Jahre.
- die Verkürzung der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts auf drei Jahre bei „besonderen Integrationsleistungen“.
- den Verzicht auf einen Einbürgerungstest und einen Sprachnachweis ab dem 67. Lebensjahr.
- die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit.
Der Landesintegrationsrat NRW und seine kommunalen Gremien sprechen sich entschieden gegen die Einführung eines „Generationenschnitts“ aus.
März 2023