Migrantenvertreter fordern die Stärkung der kommunalen Integrationsräte und kritisieren die Landesregierung scharf
18. Juni 2018Flüchtlingspolitik vor Ort aktiv gestalten
20. Juni 2018Resolution der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Landesintegrationsrates NRW, Düsseldorf, 16. Juni 2018
Mit dem Gesetzentwurf zur „Aufhebung des Gesetzes zur Stärkung des Kreistags und zur Änderung kommunalrechtlicher, haushaltsrechtlicher und steuerrechtlicher Vorschriften“ will die Landesregierung ihren im Koalitionsvertrag angekündigten Plan verwirklichen, die politische Teilhabe der Migrantinnen und Migranten in den Kommunen zur Farce verkommen zu lassen. Der Landesintegrationsrat NRW hat den Gesetzentwurf in seiner Stellungnahme scharf kritisiert. Die Delegierten aus den 107 Integrationsräten begrüßen jedoch die Zusicherung der NRW-Kommunalministerin, Ina Scharrenbach, sich für Verbesserungen am Gesetzentwurf im Sinne der Wünsche der Integrationsräte einzusetzen.
Bisher können die Migrantinnen und Migranten über den Integrationsrat an der Gestaltung der kommunalen Integrationspolitik mitwirken. Nun sollen die Kommunen nach den Plänen der Landesregierung ab 2020 die Möglichkeit bekommen, statt des Integrationsrates einen sogenannten Integrationsausschuss einzurichten, in dem die gewählten Migrantenvertreter nur als schmückende Ergänzung dienen. Die gewählten Migrantenvertreter werden gegenüber den Ratsvertretern deutlich benachteiligt: Ratsmitglieder erhalten den Vorsitz des Integrationsausschusses und dessen Stellvertretung, stellen die Mehrheit der Mitglieder und haben das alleinige Stimmrecht für den Fall der Übertragung von Entscheidungskompetenz durch den Rat. Folglich werden die demokratisch gewählten Migrantenvertreter/innen in diesem Ratsausschuss zu zweitklassigen Mitgliedern: Sie sind in der Minderheit und ihre Anträge und Anregungen haben nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie die Zustimmung der Ratsmitglieder finden; sie haben das Nachsehen, wenn es um die Besetzung der leitenden Funktionen im Integrationsausschuss geht und ihre Stimme ist nicht gefragt, wenn es um für die Kommune verbindliche Beschlüsse geht. Diese Ungleichheit und Bevormundung im Integrationsausschuss lehnen die gewählten Migrantenvertreter/innen entschieden ab.
Die Integrationsausschüsse haben bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie nicht geeignet sind, den politischen Willen der Migrantinnen und Migranten umzusetzen.
Zur Stärkung der Teilhabe der Migrantinnen und Migranten kann jede Kommune schon gemäß § 58 der Gemeindeordnung einen regulären Ausschuss für Integration einrichten. Weshalb die Teilhabemöglichkeit der Migrantinnen und Migranten in § 27 beschnitten werden muss, um die „Freiheit“ der Kommunen zu stärken, erklärt die Landesregierung nicht.
In der Amtsperiode 2009 bis 2014 hatten die Kommunen die Möglichkeit, einen Integrationsrat oder Integrationsausschuss zu bilden. 16 Kommunen hatten sich für die Einrichtung eines Integrationsausschusses und 91 Kommunen für die Einrichtung eines Integrationsrates entschieden. Die Bewertung der beiden Modelle zeigte deutlich die Vorteile des Integrationsrates, so dass der Nordrhein-Westfälische Landtag landesweit den Integrationsräten den Vorzug gab.
Die Landesregierung macht nun mit ihrem Gesetzentwurf eine Rolle Rückwärts und bringt die bereits gescheiterten Integrationsausschüsse erneut ins Spiel. Notwendig ist stattdessen, die bisherigen Gremien, die aus der Initiative der Einwanderer der ersten Stunde entstanden und in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt worden sind, unter den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zu stärken. Der Landesintegrationsrat NRW hat hierzu zwei Vorschläge vorgelegt. Nämlich das
„Sperrminoritäts-Modell“ und das „Sparkassen-Modell“.
Die Integrationsräte konnten in den vergangenen Jahren ihren Platz im kommunal-politischen Gefüge trotz der schwierigen gesetzlichen Rahmenbedingungen verfestigen und haben hervorragende Arbeit geleistet. Sie sind das Sprachrohr der Migranten in der Kommune, wenn es um die Repräsentation und Vermittlung ihres politischen Willens geht. Darüber hinaus sind sie das Fachgremium bei der Behandlung des Querschnitt-Themas „Integration“.
Der Landesregierung kommt daher die Aufgabe zu, die Gremien so attraktiv zu machen, dass sich viele Kandidatinnen und Kandidaten bei der nächsten Wahl zur Verfügung stellen. Denn die Mobilisierung der Wählerinnen und Wähler bei den Wahlen gelingt nur mit Kandidaten, die von der Wirkung dieser Gremien überzeugt sind.
Wir fordern die Landesregierung auf,
- ihren Vorschlag im Gesetzentwurf, der die direkt gewählten Migrantenvertreterinnen und vertreter im geplanten Integrationsausschuss zu zweitklassigen Mitgliedern gegenüber den Ratsmitgliedern macht, zurückzunehmen;
- die Einheitlichkeit der Gremien in allen Kommunen mit dem geplanten Integrationsausschuss nicht auszuhebeln;
- die politische Mitwirkung der bisherigen Integrationsräte mit Beschlussrecht auszuweiten;
- die Arbeit der Integrationsräte mit einer Mindestausstattung an Personal, Büro, Finanz- und Sachmitteln zu unterstützen.
- Sparkassen-Modell/Sperrminoritäts-Modell zur Stärkung der politischen Partizipation von Migrantinnen und Migranten