25 Jahre Landesintegrationsrat NRW – Festakt im Landtag Nordrhein-Westfalen
29. Oktober 2021Qualifizierungsangebot für Integrationsräte – Termine
12. November 2021Pressemitteilung des Landesintegrationsrates NRW vom 4. November 2021
Vor zehn Jahren flog der sogenannte NSU auf. Es war schnell klar, dass das Trio für die Morde an Enver
Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar,
Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter verantwortlich ist.
Hinzu kommen weitere Mordversuche, Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle, die alle jahrelang von
den Sicherheitsbehörden nicht aufgeklärt wurden. In der Regel wurden die Opfer verdächtigt, wegen
krimineller Aktivitäten ermordet worden zu sein. Dabei wurden die Familien der Opfer mit verdächtigt
und von der Polizei bespitzelt. Bis heute ist das Versagen der Strafverfolgungsorgane und
Sicherheitsbehörden weder lückenlos aufgeklärt noch wurden Verantwortliche zur Rechenschaft
gezogen. Unklar bleibt auch, wer zum Unterstützernetzwerk des NSU gehörte und ob möglicherweise
weitere Morde bzw. rechtsterroristischen Anschläge verübt wurden.
Tayfun Kelek, Vorsitzender des Landesintegrationsrates NRW: „Ich bin enttäuscht, wütend und
deprimiert.
Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass der NSU-Prozess, der am 11. Juli 2018 zu Ende ging, die Wahrheit
nicht ans Tageslicht gebracht hat, vielmehr liegt sie nach wie vor im Dunklen. Und die Opferfamilien,
die auf Aufklärung pochen, werden an der Nase herum geführt.
Ich bin sehr wütend darüber, dass die Sicherheitsbehörden, die wohlweislich unzählige Akten
vernichtet haben und viel über die Terroristen wissen müssen, ihr Wissen über den NSU und seine
Unterstützer nicht preisgeben.
Ich bin sehr deprimiert, weil ich wie viele andere Menschen mit internationaler Familiengeschichte
einen Großteil meines Vertrauens in den Staat verloren habe.“
Unzählige parlamentarische Untersuchungsausschüsse, eingesetzt vom Bundestag und von den
Landesparlamenten, haben sich ihre Zähne an der Blockadehaltung und Verschleierung der
Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ausgebissen. Der Landesintegrationsrat NRW fordert angesichts
des verlorenen Jahrzehnts bei der Aufklärung der NSU-Morde eine unabhängige
Wahrheitskommission. Sie muss die Rolle der Hintermänner und -frauen bei den Morden, Attentaten
und Raubüberfällen aufklären. Es liegt doch auf der Hand, dass das Trio ohne Unterstützung von
Menschen vor Ort seine Morde und Bombenanschläge nicht ausüben konnte. Auch die unrühmliche
Rolle der Verfassungsschutzbehörden muss untersucht werden. Diese geben nach wie vor nicht alle
Informationen über den NSU preis.
„Am Jahrestag der Enttarnung des NSU müssen wir aus den Fehlern der Vergangenheit Lehren
ziehen. Rassismus und Rechtsextremismus sind nicht nur Randphänomene. Sie finden in der Mitte
der Gesellschaft breite Unterstützung und sind in vielen Institutionen des Staates tief verankert. Die
Ächtung des Rassismus ist richtig und wichtig,. Gleichzeitig müssen wir lernen, die Vielfalt unserer
Einwanderungsgesellschaft zu schätzen“, so Keltek.
Bildnachweis: Von Henning Schlottmann (User:H-stt) - Eigenes Werk, Bildausschnitt, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=71031779